Textilmuseum Textilmuseum: Auf den Spuren des alten Amerikas
Krefeld · Im Rahmen der Forschungs-Reihe „Ans Licht“ erforscht Katalin Nagy die präkolumbische Sammlung am Linner Haus. Eine Ausstellung soll 2021 kommen.
Es gibt im Deutschen Textilmuseum Krefeld einige Schätze, die noch nicht in Gänze „ans Licht“ gelangt sind. Beziehungsweise Sammlungsschwerpunkte, die als Ganzes noch erforscht und analysiert werden müssen. Daher gibt es seit 2017 die Forschungsreihe „Ans Licht“, die übrigens von der Kulturstiftung der Sparkasse gefördert wird.
Nun stellte das Museum das dritte Projekt der Reihe vor, bei dem es in das Amerika vor dessen „Entdeckung“ durch Kolumbus geht. Die in Budapest geborene Forscherin – sie ist unter anderem Textilingenieurin und Altamerikanistin – Katalin Nagy widmet sich spezifisch jenen Teilen der Sammlung des Museums, die aus sogenannten präkolumbischen Textilien besteht. Hierbei auch explizit Textilien aus Peru. Entdeckte Kolumbus 1492 Amerika, so spricht man im Falle von Peru von präkolumbischen Artefakten, wenn sie vor 1523 entstanden sind – erklärt Nagy, denn es dauerte ja noch eine gewisse Zeit, bis die Entdecker diese Region Amerikas erreichten.
Katalin Nagy begutachtet
etwa 800 Textilien
Es gibt im Textilmuseum Krefeld um die 800 textile Objekte, die im Rahmen dieser Untersuchung – Nagy hat mit ihren Forschungen am Haus schon 2017 begonnen – begutachtet werden müssen. Mit dem Ziel, alles einzuordnen, Sammlungsstrategien zu entdecken, herauszufinden, was dort alles schlummert, wieso und wann die Stoffe und Muster ans Haus kamen, welche Qualitäten sie ausmachen. Und schließlich schlicht, um herauszufinden, was sie sind. Natürlich technisch, aber auch historisch. Manche der Objekte sollen sogar eine – die Artefakte nicht beschädigende – Bestimmung der Farben durchlaufen.
Alles soll katalogisiert werden, mit speziellem Blick einer Fachfrau, die sogleich erkennt, welche Technik, welche Zeit, welche Kultur – es dreht sich um mehrere Kulturen, die hier in den Blick fallen können – sie vor sich hat. Die präkolumbische Sammlung wurde noch nie erforscht und geordnet. Also ein Desiderat, was durch dieses Projekt befriedigt wird. Die Objekte sind wild gemischt – eine Folge des Zweiten Weltkriegs.
Dabei sind die Textilien gerade auch so faszinierend, wie Nagy erklärt, weil sie so unterschiedlich sind. Dort finden sich rituelle Abbildungen, bunte Muster, feine Stoffe, die so gar nicht aussehen, als wären sie tatsächlich so alt. Es gibt Stücke in der Sammlung, die noch vor die Inka-Zeit datieren, also etwa zwischen 1000 und 1400, wiederum andere haben ihre Ursprünge in der Inka-Kultur. Von den damaligen Sammlern wurden von Stücken meist kleinere Proben genommen, die auf diese oder jene Weise interessant erschienen – diese fanden schließlich ihren Weg in die Sammlungen. Oft nur Ausschnitte, nicht selten archäologische Funde, die nur wegen der klimatischen Bedingungen – oft in Gräbern, in die sie gelegt wurden – im trockenen und heißen Wüstengebiet derart gut erhalten sind. Fein gewirkte Verzierungen von Tuniken, Taschen, die zum Transport von Kokablättern genutzt wurden, um sich für lange Wege zu stärken. Es gibt Gürtel aus feinstem Stoff, als auch Gewebe, die fast anmuten wie Spitze und die wohl als Schleier verwendet wurden.
All dies – und vieles mehr verbirgt die Sammlung, von der Nagy schon circa ein Viertel bis ein Drittel genau begutachten konnte. Gelagert unter perfekten Bedingungen – indes ein bisschen im Chaos, das sie zu entwirren hat. Die Befunde werden sorgsam in Tabellen eingetragen. Was jetzt schon klar ist: Es wurde von den damaligen Sammlern bewusst nach der Vielfalt von Techniken gesammelt. Es ging um eine möglichst große Bandbreite einer Studiensammlung.
Viele Exponate sind Einkäufe
aus den 1950er Jahren
Deren Ursprünge reichen zurück bis 1880, wie man erklärt. Auch damals finden sich schon um die hundert Textilien präkolumbischer Art. Was diese Sammlung so außergewöhnlich mache, sei somit, dass hier deutschlandweit einzig eine Sammlung vorliegt, bei der von Anfang an Textilien dieser Art vorkommen.
Ein Großteil der Exponate ist indes Einkäufen von Renate Jaques (damalige Sammlungsleiterin) in den 50er Jahren zu verdanken. Die damals eine ausgedehnte lange Reise in die Region unternahm. Ein Luxus, der heute wahrscheinlich so nicht mehr möglich wäre. Auch hier können noch sammlungsgeschichtliche Erkenntnisse folgen, die sicherlich auch für die Provenienzforschung nicht uninteressant sein dürften.
Für die Ausstellung zum Forschungsprojekt, die für Herbst 2021 geplant ist, kommen aber nicht nur die historischen Textilien, die bis weit vor Christi Geburt datierbar sind, in Betracht. Auch sogenannte ethnologische Objekte – also aus der Tradition heraus entstandene – deutlich jüngere heutige Textilien, sollen in der Ausstellung in Kontext mit den besonderen Fundstücken im Archiv gesetzt werden. Es wird gewiss einige Highlights geben – doch möchte hier Nagy noch nichts Genaueres verraten. Vielleicht auch, weil es immer noch Überraschungen gibt, wie sie erklärt. Zudem sollen zu den Textilien fallweise auch nicht textile Objekte gestellt werden, um den Kontext zu illustrieren. Illustrativ sind auch historische Lithografien, die für die Schau herangezogen werden könnten.