Theater Krefeld und Mönchengladbach Ballett macht „Alles neu“ – obwohl es nicht Mai ist
Krefeld · Die Produktion der Compagnie von Robert North entstand im Frühjahr 2021. Nun feiert sie am Sonntag Premiere in Krefeld.
Es ist die erste Ballettpremiere der Saison am Krefelder Theater – und sie findet nicht im Mai statt. Und dies, obwohl die Produktion „Alles neu“ heißt und ja bekanntlich der Mai ja „alles neu macht“. Übrigens die erste Aufführung dieses „frühlingshaften“ Ballettabends mit und von der Compagnie von Ballettdirektor Robert North erblickte im Mai 2021 am Mönchengladbacher Haus des Gemeinschaftstheaters das Licht der Welt. Als ein erster kraftvoller Hoffnungsschimmer nach einer entbehrlichen Zeit mit Lockdowns und Einschränkungen. Die – natürlich nicht nur, aber auch – die Kultur sehr hart getroffen hatten, aber vor allem auch beim Tanz, der wohl körperlichsten Kunst überhaupt, für harte Durststrecken gesorgt hatten. Da statt Berührung und gemeinsamer Bewegung Distanz auf dem Programm stand.
Aber das Theater Krefeld und Mönchengladbach, North und sein Team haben Wege gefunden, ließen sich nicht unterkriegen – und ja, es ist wichtig, dies hier an dieser Stelle erneut zu erwähnen, wenngleich in vergangenen Wochen und Monaten doch eigentlich schon genug, darüber geschrieben worden ist, wie sich Kultur aus der Corona-Situation sukzessive herauskämpfen konnte.
Drei von vier Choreografien stammen von Tänzern
Diese Produktion, die am 24. Oktober Premiere am Theater Krefeld feiert, ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Einerseits, weil sie noch mit allen strengen Corona-Regeln geplant wurde und somit eine spezielle coronataugliche Sprache sprechend, dennoch vieles möglich macht, andererseits weil sie somit auch die Tugend der Kürze in sich trägt: Dauer ist etwas mehr als eine Stunde ohne Pause.
Auch ist diese Produktion (Ausstattung Udo Hesse, Chorgeografieassistenz Sheri Cook) besonders, nicht zuletzt, weil an diesem Abend nicht nur Choreografien vom Ballettchef North zur Aufführung kommen, sondern auch Arbeiten von Mitgliedern des Ensembles, die jeweils ihre sehr eigene Stilistik einbringen – wenngleich natürlich die Grundrichtung der Compagnie als Basis-Stimmung auch bei den Werken von Marco A. Carlucci, Takashi Kondo und Yoko Takahashi durchscheint. Letztere gastiert seit der Spielzeit 2016/17 beim Ballett des Theaters Krefeld und Mönchengladbach. Carlucci ist seit der Spielzeit 2013/14 am Theater Krefeld und Mönchengladbach engagiert. Kondo gehört seit 2009 zum Ballettensemble des Theaters. Seine Arbeit für diese Produktion ist von der Musik Arvo Pärts inspiriert. Vor einer vieldeutigen Wand mit Graffiti erlebt der Zuschauer einen tänzerischen und musikalischen „Dialog“ zum Thema Respekt – ein „Kampf“, der durchaus auch Assoziationen zu zeitgeschichtlichen Ereignissen zulassen will.
Yoko Takahashi hat aus Vivaldis fast schon nicht mehr ohne „Ironie“ hörbaren „Vier Jahreszeiten“ den Frühling ausgewählt und lässt eine fast schon surreale Weltflucht vor einem schematischen Baum auf interessanten Subtext treffen. Auch einen Verweis vielleicht auf eine japanische Tradition?
Marco A. Carlucci hat eine „Tarantella“ – als Referenz an seine Heimat Italien – choreografiert. „Freedom“ – also Freiheit – wirkt vor großer „Bildwand“ wie ein mitreißender kunstvoll in Tanz übersetzter italienischer Schlager. Oder doch nicht? Man sollte mit derartigen Zuschreibungen immer vorsichtig sein. Wirkungsmächtig indes ist diese Arbeit schon.
North selbst widmet sich in „Technische Schwierigkeiten“ einer ironisch-tänzerischen Reflexion über die Herausforderungen künstlerischen Arbeitens unter der aktuellen besonderen Situation, die durch die tausenden Corona-Regeln einiges komplizierter machte und bisweilen bis heute macht.
Grundsätzlich dürften Besucher von „Alles neu“ einerseits bekannte Rezepte der Compagnie erwarten, aber auch Überraschungen, die die Produktion würzen. Dieser mehrteilige Abend mit Miniaturen birgt eine besondere Energie in sich, die einerseits den Wunsch nach Freiheit auf tänzerische Weise immer wieder neu transportiert und andererseits dem Diktat der Absonderung – der zur Pandemiebekämpfung lange das Leben der Menschen prägte – Wünsche einer „Verbindung“ entgegensetzt. Indes hat sich seit Mai schon einiges geändert.