Villa Merländer riecht nach Krieg
Duftstationen ergänzen die Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums, um mit weiteren Sinnes-Reizen Verfolgung und Bombardierung näherzubringen.
Krefeld. Ein Knopfdruck und es riecht nach verbranntem Holz. Ein kleiner Ventilator pustet den Duft der Zerstörung in den Raum, in dem Trümmer auf dem Boden liegen - vor einem wandhohen Foto zerbombter Krefelder Häuser. „Als Erstes brachten die Kriegsflugzeuge die großen Bomben, die die Dächer abdeckten, dann kamen in der zweiten Welle die Stabbrandbomben mit Phosphorköpfen, die sich von den Dachböden nach unten durch die Häuser fraßen“, erzählt Ingrid Schupetta, Leiterin des NS-Dokumentationszentrums. Deswegen riecht es an dieser letzten der fünf Duftstationen, die jetzt in der Villa Merländer hängen, nach Holzbrand.
Nachdem die Arbeit an den textlichen und bildhaften Bereichen der Ausstellung zum Nationalsozialismus in der Stadt im vergangenen Jahr abgeschlossen worden sei, habe sie sich dem Geruchssinn „als ganz wichtigem Sinn“ widmen wollen. Gerade Gerüche können in den Menschen ein emotionales Erinnerungs-Kino auslösen.
Beim Blick auf die zahlreichen Schülergruppen, die Schupetta das ganze Jahr über durch die Ausstellung begleitet, ist ihr Ziel allerdings noch ein anderes. „Wenn die Jugendlichen in die Ausstellung kommen, ist für einige Gucken und Lesen gleich mit dem Stempel ,Langweilig’ versehen“, berichtet Schupetta von ihrer beruflichen Erfahrung. Aber Knöpfe drücken, über den Geruch sprechen, der durchaus unterschiedliche Assoziationen hervorruft, bringe „einen neuen Einstieg ins Gespräch“.
Die ersten Begegnungen in der Ausstellung hätten bereits gezeigt, dass ihre Idee aufginge. „Gleich bei der ersten Duftstation konnte ich mit Jugendlichen, die mir vorher nicht zugehört haben, über den Hausherrn reden.“ Denn vorne im Eingang der Villa Merländer, die dem jüdischen, von den Nazis verfolgten und getöteten Krefelder Unternehmer Richard Merländer gehörte, verbreitet sich nach dem entsprechenden Knopfdruck ein angenehmes, nicht aufdringliches Tabak-Aroma. Und nur drei Schritte weiter befindet sich das Spielzimmer des ehemaligen Hausherrn, an dessen Wänden die Auftragsarbeit des Malers Heinrich Campendonk vom Spaß an Kartenspielen, Billard und Zigarren erinnert.
„Mit den Duftstationen betreten wir Neuland“, sagt Schupetta. Lediglich im Militärmuseum Dresden gibt es wohl ein museumspädagogisches Konzept, das den Besuchern den Gestank der Schlachtfelder und Schützengräben des Ersten Weltkriegs vermitteln will.
Das Schwierigste an Schupettas Projekt war es, Gerüche sozusagen einzufangen und nur dosiert freizugeben. Experten-Hilfe bekam sie dabei vom Henkel Fragrance Center im Krefelder Hafen. Parfümeur Hubert P. Smyrek, der auch das Krefeld Parfüm komponiert hat, ließ sich schnell für die Aufgabe begeistern. „Normalerweise kümmern wir uns um Düfte für Frische und Sauberkeit. Es war ein Anspruch für mich, mal etwas anderes zu kreieren.“ Es folgte ein Jahr gemeinsame Projektarbeit.
So wünschte sich Schupetta beispielsweise für den Ausstellungs-Teil über die Judenverfolgung eine Gewürzmischung. Sie soll an den Gewürzsegen erinnern, der zum jüdischen Ritual am Samstagabend bei Nachteinbruch gehört, das das Ende des Schabbats begleitet. Was Smyrek ehrenamtlich komponierte, wurde wie in allen fünf Fällen in Duftperlen gepresst, die bei jedem Knopfdruck einen kleinen Teil ihres Inhalts preisgeben.