Violinistin Elina Vähälä: Philosophische Gedanken über die Liebe

Violinistin Elina Vähälä trat im vierten Sinfoniekonzert auf und spielte zu Bernsteins Musik „Serenade — after Plato’s Symposium“.

Foto: Andreas Bischof

Was bewegt einen Komponisten eine philosophische Auseinandersetzung in eine Komposition zu fassen? Das Programm des 4. Sinfoniekonzerts der Niederrheinischen Sinfoniker bot eine Antwort auf diese Frage. Gleichzeitig waren die dazu ausgewählten Stücke eine Brücke vom ausgehenden 19. Jahrhundert in die Klangwelt des 20. Jahrhunderts mit seinen unterschiedlichen musikalischen Erscheinungsformen.

Die Ouvertüre zu „The Wasps“ von Ralph Vaughan Williams ist nicht die Satire der „Wespen“, wie sie 422 v.Chr. Aristophanes verfasste. Die „Wespen“ surren und summen, schwirren herum, aber nicht unbedingt bedrohlich, schließlich wird ihr Summen immer wieder abgelöst von heiteren und tänzerischen englischen Volksliedern, die Vaughan Williams zu Beginn des 20. Jahrhunderts gesammelt hatte, engagiert musiziert vom Orchester, das hier bereits seine dynamische Variabilität entfalten konnte.

Solistin des folgenden Stückes war die in Finnland aufgewachsene Violinistin Elina Vähälä. Leonard Bernstein (1918—1990), dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gewesen wäre, zeichnete in seiner „Serenade — after Plato´s Symposium“ für Violine und Kammerorchester die Gedanken der griechischen Philosophen nach, die diese sich über die Liebe gemacht haben. Bernstein selbst fand in der Musik sein Leben: „Es veränderte mein Leben. Das Geheimnis, die Erklärung ist, dass ich ein Universum fand, in dem ich sicher war: die Musik. Ich war in ihm beschützt, ich hatte in ihm ein Heim. Niemand konnte mir mehr etwas anhaben“, sagt Bernstein selbst.

Er feiert in dieser Serenade seine Auffassung von den Vorstellungen der griechischen Philosophen vom Eros. Leise, lyrisch verhalten beginnt die Solovioline ihr sehnsüchtiges Spiel, Phaedrus lobt den Gott der Liebe, Pausanias beschreibt den Liebenden und den geliebten, Aristophanes erzählt, der Arzt Eryximachus wird heftig, witzig, heiter virtuos in der Violine gestaltet, Sokrates sucht den Dialog, Violine und Solocello unterhalten sich, dazu kommen leise die Bratschen, jäh wird die lyrische Stimmung gestört, Alcibiades naht mit den Freunden, es wird getrunken, gefeiert, jazzig, lebendig, modern.

Generalmusikdirektor Mihkel Kütson dirigierte energisch, engagiert und ließ die unterschiedlichen Stimmungen sich entfalten. „Also sprach Zarathustra. Tondichtung frei nach Nietzsche“ von Richard Strauss entführte das Publikum in die Klangwelt der Jahrhundertwende. Mächtig strömt das Licht des berühmten Sonnenaufgangs musikalisch auf, dann entfaltet sich die Gedankenwelt des Philosophen in der Klangwelt des Komponisten. „Kennen Sie das Buch? Es ist ein tolles Gemisch von Verrücktheiten, Absurditäten und dann wieder Gedanken, die ich für das Bedeutendste halte, was ein Menschenkopf ersinnen kann“, schreibt der Komponist nach der Lektüre von Nietzsches „Zarathustra“.

In seiner Vorstellung entwickeln sich Melodie freudige Passagen, in eine schimmernde und auch mächtig auftrumpfende Instrumentation getaucht. Strauss´ Klangphantasie malt heitere, tänzerische und wienerische Klangbilder, die Melancholie mit Lebensfreude verbinden. Das Orchester musizierte durch Kütsons engagierte Leitung intensiv und lebendig, dynamisch facettenreich und lyrisch in den leisen Passagen. Ein philosophisch musikalischer und heiterer Abend.