Liebevolle Detailarbeit mit Charme

Porzellanmalerei ist für Anja Dolezalek-Watson nicht nur ein Handwerk, das sie liebt. In ihren Laden, den sie vor 30 Jahren eröffnet hat, kommen Menschen mit Geschichten.

Foto: Dirk Jochmann

Mitte. Eine Igelfamilie läuft am unteren Rand einer Tasse über Gras. Eine Katze mit roter Mütze und weißem Bommel schmückt eine Weihnachtskugel. Porzellan-Spieluhren mit Namen, Geburtsdaten und verschiedenen Motiven liegen in den Regalen. Spardosen, Kerzenständer und ganze Geschirr-Sets mit Prinzessinnen oder Piraten warten auf Lea, Helene oder Jakob, die beispielsweise in Kürze getauft werden.

Foto: Dirk Jochmann

Ein Hauch von Terpentin liegt in der Luft. Er kommt vom Ende des Ladenlokals am Ostwall 226. Im Tageslicht, das durch das rückwärtige Fenster fällt, sitzt Anja Dolezalek-Watson an ihrem Arbeitsplatz mit Töpfchen voller farbiger Pulver, zahlreichen Federn, Spachteln und einem sogenannten Durchdrücker.

Foto: Dirk Jochmann

Mit dem Werkzeug, das schon ihrem Großvater, der Porzellanmaler und Heraldiker in Halle an der Saale war, gehörte und mit dem man mit Hilfe von Graphitpapier Entwürfe auf Porzellan durchpaust, arbeitet sie „jeden Tag“, erzählt die Krefelderin, die in Forstwald aufgewachsen ist. Und wenn sie das sagt, dann strahlt sie. Schließlich war Paul Dolezalek ihr „Lieblingsgroßvater“ und „im Grunde genommen kam ich durch ihn zu diesem Beruf, sonst war das ja im Rheinland eher ungewöhnlich“, sagt die Porzellanmalerin und Dekorentwerferin, die ihr Handwerk von 1977 bis 1981 an der Porzellanfachschule in Selb in Oberfranken lernte, dem Johann-Friedrich-Böttger-Institut, benannt nach dem Miterfinder des europäischen Hartporzellans.

Foto: Dirk Jochmann

Am Rand einer Porzellanschale, die Anja Dolezalek-Watson gerade gestaltet, sitzen winzige Törtchen zwischen zarten und gleichzeitig schwungvollen Linien. Auf dem Boden des guten Stücks hat die 58-Jährige bereits die Umrisse eines größeren Cupcakes mit Kirsche auf dem Sahnehäubchen vorgezeichnet.

Dann greift sie sich einen kleinen Spachtel und mischt auf einer Fliese braunes Pulver aus Metalloxyd und pulverisiertem Glas mit Wasser und Zucker an. Mit diesem „Zuckerwasser“ an einer Feder zieht Anja Dolezalek zunächst die Konturen ihrer Skizze nach. Um dann das gleiche Pulver in Rot mit Terpentinöl und Balsam zu verrühren und die Kirsche nicht nur einfach auszumalen. Mit wenigen Pinselstrichen und Schattierungen schafft sie den Eindruck einer runden prallen Frucht. Wenn auch der Rest ihren Vorstellungen entspricht, kommt die Schale mit all ihren anderen aktuellen Werken in einen 800 Grad heißen Ofen.

Dann verschwindet auch der gelbe Untergrund, der zum Beispiel einige Prinzessinnen noch wie eine Art Wolke umgibt. Denn damit sie nicht nur komplett Handbemaltes, sondern auch für Menschen mit kleinerem Geldbeutel eine individualisierte Kollektion anbieten kann, arbeitet die Krefelderin mit einer weiteren Technik: Dabei werden von ihr entworfene Motive von einer Spezialdruckerei mit sogenanntem Überträgerlack gefertigt.

Die in großen Stückzahlen gedruckten Bilder kann sie dann, etwas zurechtgeschnitten auf das Porzellan aufbringen. Das Gelb des Überlacks verschwindet schon bei 400 Grad. Von Anja Dolezalek-Watson mit handgemalten Namen, Daten und Details versehen, verschickt sie die Endergebnisse in die ganze Bundesrepublik. Oder, um genau zu sein, ihr Mann Andrew Watson (65) übernimmt den Versand, die Rechnungen, „alles, was im Hintergrund zu tun ist“. Der gebürtige Engländer hat Betriebswirtschaft studiert — „eine gute Kombi, weil ich nicht die geborene Geschäftsfrau bin“.

Vor 30 Jahren hatten sie den Laden eröffnet. „Ich wollte mich immer selbstständig machen“, erzählt die Mutter dreier Söhne. Zunächst war ihr Mann, denn sie durch eine Bekannte in Bonn kennengelernt hatte, allerdings mit ihr nach Selb gezogen, damit sie die Fachschule besuchen konnte. Nach ihrer Rückkehr nach Krefeld hatte Anja Dolezalek-Watson zunächst sowohl im Haus der Familie, das ihre Mutter Helga mit aufgebaut hatte, als auch in der Werkstatt ihrer Mutter an der Moerser Straße Porzellanmalerei-Kurse gegeben.

Den anschließenden Schritt in die Selbstständigkeit hat sie nicht bereut. Es sei in ihrer Arbeit eine „sehr persönliche Begegnung möglich“. Auch weil da beispielsweise Lieblingstiere oder -kuscheltiere, „einfach Sachen, an denen das Herz hängt“, auf Porzellan verewigt werden. „Es ist so schön, auch wegen der langen Zeit, wenn Kunden kommen, die als Kinder auf unserem Dreirad durch den Laden gefahren sind und jetzt für ihre Kinder etwas suchen und erzählen wie sie noch als Erwachsene an ihren Tellern oder Tassen aus Kindertagen hängen.“

Sie freue sich, wenn sie höre, dass junge Leute, die von zu Hause auszögen, ihre Geburtsteller oder Spieluhren mitnähmen.

Gerade erst habe eine Kundin ein Weihnachts-Service in Auftrag gegeben, von dem sie immer schon geträumt, es aber nie gefunden habe. Oder Menschen stehen mit von der Spülmaschine beschädigten Erbstücken vor ihr und Anja Dolezalek-Watson arbeitet etwa den Blätterkranz auf einem Fürstenberg-Service auf. Auch Motive von kaputtem Unrettbarem hat sie schon auf neues Porzellan übertragen. „Es hängen ja für die Menschen Erinnerungen dran.“ Porzellan sei „etwas Zeitanhaltendes während vieles sonst vorbeirutscht“.