Veranstaltung in Krefeld So arbeitet ein Bundesliga-Schiedsrichter

Sascha Stegemann war in Krefeld zu Gast. Vor 80 Kollegen sprach er über seine Erfahrungen und Lehren.

Sascha Stegemann erzählte in Krefeld von den Anfängen seiner Schiedsrichter-Karriere und seinen Erfahrungen in der Fußball-Bundesliga.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Sascha Stegemann streift noch eben seine Jacke ab, dann legt er los. Seine etwa 80 Zuhörer, darunter viele junge Schiedsrichter aus der Region, wollten wissen, wie die Luft da oben so ist als Unparteiischer in der Fußball-Bundesliga. In dem Profibetrieb, der Woche für Woche bunte Geschichten in die Wohnzimmer der Deutschen liefert, aber auch seine Schattenseiten hat. Aus diesem Leben erzählte der 35-Jährige aus Niederkassel bei Bonn auf Einladung des Schiedsrichter-Obmannes des Kreises, Andreas Kotira in der Visaal Event Location an der Obergath. Immer auch mit Tipps an den Nachwuchs versehen – und das auch noch in 90 Minuten, die Dauer eines Fußballspiels.

Um die Distanz zum Publikum abzubauen, referierte Stegemann erst einmal über seine eigenen Anfänge als Straßenfußballer, der im jugendlichen Alter in der D-Jugend dann aber 1997 die Seiten wechselte. „Ich war kein Senkrechtstarter“, sagt der Mann, der seit 2014 in der Bundesliga 79 Partien geleitet hat. 2008 stand er am Scheideweg. Erst über den Umweg B-Junioren-Bundesliga kam er weiter nach oben. Im Alter von erst 23 Jahren. Er überlegte schon aufzuhören. Doch dann ging es weiter. „Es muss nicht kometenhaft nach oben gehen. Man braucht auch eine Phase, wo man lernt, sich durchzusetzen. Im Kreis und Verband lernt man das Pfeifen von der Pike auf. Man darf nie die Geduld verlieren.“ Der Profifußball sei eben eine eigene Welt.

Das gesteigerte öffentliche und finanzielle Interesse verschaffe den Entscheidungen eine viel größere Tragweite. Dessen müsse man sich bewusst sein. Mit einem Pfiff könne man Geschichte schreiben, in der Regel seien dies aber Fehlentscheidungen, die hängen bleiben. „Es ist das größte Lob für die Leistung, wenn wir nicht Thema sind“, sagte Sascha Stegemann, der Diplom-Verwaltungswirt.

Er selbst erlebte am 25. Mai 2017 ein Fiasko, pfiff einen unberechtigten Elfmeter, der fast das Relegationsduell zwischen dem VfL Wolfsburg und Eintracht Braunschweig entschieden hätte. Er gestand seinen Fehler sofort ein, trat nach dem Spiel vor die Kameras und nahm die Schuld auf sich, ohne Ausreden zu suchen. Dennoch trug er die Enttäuschung noch lange mit sich herum. „Das sind Momente, zu denen man so schön sagt: Scheiße.“ Nie solle man Fehler im Spiel versuchen zu kompensieren. „Minus und Minus ergibt nicht Plus.“ An die Zuhörer sagte er: „Haken dranmachen, akzeptieren und weitermachen. Ihr seid nicht die Ersten und Letzten, denen Fehler passieren.“

Stegemann gab auch Einblicke in die Spielvorbereitungen eines Bundesliga-Schiedsrichters. Neun Tage vor einer Partie werde man eingeteilt. Von da an beginnt die Einstellung des Körpers und Geistes. Intervall-Läufe, aktive Regeneration, Kraftübungen, Erholung, Anreise einen Tag vor dem Spiel. Den Körper gelte es so zu belasten, dass man bei Anpfiff Höchstleistung abrufen kann. „Die Fitness wird immer wichtiger. Man muss viel athletischer sein als noch vor 15 Jahren.“ Stegemann zeigte Statistiken und Diagramme. 11,07 Kilometer sei er in einem Spiel während 93 Minuten gelaufen. 29 Sprints über eine Gesamtlänge von mehr als 500 Metern kamen da zusammen, bis zu 30 km/h in der Spitze schnell. „Die Bilanz eines durchschnittlichen Bundesliga-Profis“, wie der Schiedsrichter sagte, der seit 2019 auch FIFA-Begegnungen pfeift.

Neben der körperlichen Form sei aber auch die mentale Komponente (etwa Entscheidungen unter Zeitdruck, Umgang mit Fehlern) und die fachliche Vorbereitung auf eine Partie wichtig: Mit welchen Spielertypen hat man es zu tun? Wie agiert eine Mannschaft? Auch da müsse sich der Schiedsrichter mit seinen Assistenten minutiös einstellen. Immer wieder auch hob Stegemann den Team-Charakter im Gespann hervor, spielte Sequenzen ein, wie Schiedsrichter, Assistenten und Videoschiedsrichter miteinander während eines Spiels kommunizieren und sich abstimmen, in wenigen Sekunden. „Es geht auch darum, dem Assistenten zu helfen, ihn mit Respekt zu behandeln. Sie helfen dir ja auch“, sagte der 35-Jährige.

Das Besinnen auf die eigene Stärke, Lockerheit, Fokussierung seien maßgeblich für die optimale Leistungsstärke. Vor dem Spiel steige dann aber doch die Vorfreude: „Das ist die unbezahlbare Gegenwart“, so Stegemann, „Man läuft als Erstes in das volle Stadion. Man ist ein Bestandteil der Bundesliga.“ Für viele seiner Zuhörer am Montagabend wird dies jedoch wohl ein Traum bleiben.