Serie Neues Zuhause Nach der Flucht aus Damaskus: Albträume, Sorgen und der Kampf mit der Bürokratie

Jwan Shakh hat nach seiner Flucht aus Damaskus eine schwere Zeit hinter sich. Nach Monaten in einer Turnhalle und in einer Wohngemeinschaft lebt er heute in Fischeln.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Türkei, Griechenland, Mazedonien: Jwan Shakh aus Damaskus hat viele Länder gesehen — doch nicht zum Urlaub machen. Der 40-Jährige musste aus seiner Heimat Syrien wegen des Bürgerkrieges fliehen. Aufgrund seiner Erlebnisse musste sich der Psychotherapeut eine ganze Weile um seine eigene Seele kümmern. „Ich hatte selbst Probleme, Albträume“, sagt er. Es dauerte Monate, bis er im Sommer 2015 sein Ziel erreichte: Deutschland.

Wenigstens gab es hier aber keinen Tod. Zunächst wurde er in Dortmund untergebracht, dann in Düsseldorf. Schließlich schickten ihn die Behörden nach Krefeld. Nach Monaten in einer Turnhalle und in einer Wohngemeinschaft mit vier anderen Personen lebt er heute in einer kleinen Wohnung in Fischeln, gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. Die Tochter ist zwölf Jahre alt, der Sohn acht.

Im Rahmen einer „Familienzusammenführung“ durften seine engsten Angehörigen nach Deutschland kommen. Das war vor sechs Monaten. Die anderthalb Jahre davor war Jwan Shakh allein gewesen und voller Sorge um die Daheimgeblieben. Die erste Zeit in Deutschland sei sehr schwer gewesen, erinnert er sich. Mit seinem Englisch sei er nicht weit gekommen.

Das hätten, auch auf den Behörden, nur sehr wenige Menschen gesprochen. Das sei „ein Schock“ für ihn gewesen. Also begann er, die fremde Sprache zu lernen, die er inzwischen recht gut beherrscht. Eine Verständigung ist ohne große Probleme möglich. Unterstützung bekam und bekommt er von nicht-staatlichen Organisationen wie dem Verein „Helfende Hände“ und der Caritas. Beim katholischen Verband hilft er inzwischen selbst: als Dolmetscher und Betreuer bei psychischen Problemen. Kritisch sieht er dagegen die hiesige Bürokratie. Wenn er über den „vielen Papierkram“ spricht, wird seine Stimme lauter. Viele Flüchtlinge hätten davon keine Ahnung und würden das Geforderte nicht leisten können. Um seinen Führerschein beispielsweise habe er sich selbst kümmern müssen, „Hilfe von den Behörden gab es nicht“.

Auch den Job, den er möglichst schon Anfang September antreten möchte, habe ihm nicht etwa das Jobcenter besorgt, sondern er sich selbst. Bei der Suche im Internet war er auf eine Kita in Krefeld gestoßen. Er bewarb sich — und kann vermutlich bald als unterstützende Kraft anfangen. Allerdings weiß er nicht, wie er die täglichen Wege ohne Auto zurücklegen soll. Der Sohn geht in Uerdingen zur Schule, die Familie soll in eine größere Wohnung nach Oppum ziehen. Und die Kita, seine künftige Arbeitsstelle, liegt auch nicht gerade vor der Haustür. „Wie soll ich das zeitlich schaffen? Es ist alles ein bisschen viel.“ Jwan Shakh klingt verzweifelt. Doch auch diese Hürde wird er wieder meistern: genauso wie er seine Flucht und seine Integration gemeistert hat