Historisches Krefeld Dionysiusplatz war einst ein Friedhof
Krefeld · In unmittelbarer Nähe des Klosters St. Johann Baptist durften die Katholiken 1752 an der damaligen Stadtmauer ihre eigene Kirche bauen. Heute führt der Platz ein Schattendasein.
Im Rahmen der geplanten Erweiterung des Einkaufszentrums Schwanenmarkt sollte ursprünglich unter dem Dionysiusplatz eine neue Tiefgarage gebaut werden. Das war zunächst die Idee der neuen Eigentümer. Was sie nicht wussten, dass an dieser Stelle ursprünglich ein katholischer Friedhof war. Hier wurden von 1757 bis 1814 cirka 8500 Verstorbene beerdigt. Der Plan wurde verworfen. Stadtforscher Georg Opdenberg und die Krefelder Architektin Claudia Schmidt kennen die Geschichte des Dionysiusplatzes bis ins Detail. Im Rahmen der WZ-Serie „Historische Plätze und Straßen“ weisen sie bei einem Rundgang auf die Besonderheiten des Platzes und die Bedeutung für Krefelds Stadtentwicklung hin.
Der Alte Fritz genehmigte den Bau der Dionysiuskirche
Nach dem endgültigen Übergang der katholischen Pfarrkirche (heutige Alte Kirche) an die Reformierten im Jahr 1607 baten die Katholiken mit etwa 1400 Kommunikanten 1742 den preußischen König um ein eigenes Schulhaus und einen eigenen Geistlichen für Eheschließungen und Taufen. Friedrich II. gestattete es ihnen. Neun Jahre später erlaubte er dann den Bau einer Kirche und eines Schulhauses. Bedingung jedoch war, dass die katholische Gemeinde eine Fläche vor den Toren der Stadt kaufte. „Man wollte sie trotz der Genehmigung des Alten Fritz nicht in der reformierten Stadt Krefeld haben“, erzählt Opdenberg. Und so kam die Idee auf, die Kirche vor der Stadtmauer und hinter dem alten Stadtgraben zu bauen und somit gleichzeitig die Stadt zu erweitern mit einer neuen Stadtmauer gen Westen.
Opdenberg weist beim Blick von der Rheinstraße auf die Dionysiuskirche auf eine Besonderheit hin. Dazu fragt er zunächst die Himmelsrichtungen ab. „Wer die kennt, merkt sofort, dass das Kirchenschiff, nicht wie sonst üblich, nach Osten ausgerichtet ist, mit Eingang im Westen und den Altar im Osten.“ Die Krefelder Katholiken waren von der Verwaltung dazu gehalten, einen ordentlichen Abschluss zur Plantage (der heutigen Rheinstraße) zu schaffen, deshalb wurde die Kirche um 180 Grad gedreht, mit dem Eingang zur Stadt.“ „Auch musste um den neuen Kirchfriedhof eine Maurer gezogen werden wegen der in der Stadt frei laufenden Schweine“, erzählt Opdenberg. Ohne Schutzmauer grub das Borstenvieh die Gräber um.
Die Verhandlungen um das Baugrundstück gestalteten sich schwierig. Bereits im 14. Jahrhundert existierte an dem Standort des heutigen Standesamtes, in der nordwestlichen Ecke der mittelalterlichen Stadt bis 1810 das Kloster St. Johann Baptist (eine Markierung im Boden erinnert noch heute daran) Nur wenige Schritte weiter entstand an der Poststraße dann Mitte des 19. Jahrhunderts das Kloster „Zu den heiligen Engeln“ der Franziskanerinnen.
Mit dem Vagedes-Plan von 1819, der 6. Stadterweiterung von Krefeld, wurde der Kirchhof umschlossen mit dem Rechteck der Vier Wälle. Dabei ist der Bruch im sonst so klaren Straßenraster mit etwas Phantasie noch zu erkennen zwischen der nördlich gelegenen, geradlinigen Neustadt und den Gassen der mittelalterlichten Stadt südlich der Rheinstraße, auch wenn letztere in den 1970er Jahren komplett überbaut wurde mit dem Einkaufscenter Schwanenmarkt.
Das Erscheinungsbild der Dionysiuskirche hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Das Langschiff und der alte Turm sind in den Jahren 1752 bis 1754, das Kreuzschiff und der Chor im Jahr 1840 erbaut worden. Der ursprüngliche Turm fiel im Jahr 1893. Eine durchgreifende Erneuerung und Verschönerung hat der bis dahin nüchtern wirkende rohe Backsteinbau 1910 und 1911 erfahren, in dem er mit Sandsteinquadern umkleidet und mit Plastiken geschmückt worden ist. Die alten Portalvorbauten am Kreuzschiff sind edelwirkende neue Portale mit schöner Säulenstellung im Stile der Kirche ersetzt worden. Ferner ist die Vierung mit einem neuen kupfernen Dachreiter gekrönt worden. Hinzu gebaut wurden zwei Kapellen.
Dionysiusplatz war ursprünglich eine rechteckige Mittelinsel
Nördlich der Kirche entstand der Johannesplatz (heute Schwambornplatz) und südlich davon der Dionysiusplatz. Er wurde mit einer Mittelinsel in Form eines abgerundeten Rechtecks gestaltet, mit Bäumen und Mariensäule. 1913 geplant und im Jahr 1922 gebaut gilt die Säule laut Opdenberg – von Krefelder Katholiken an die Krefelder gestiftet – als „Antikriegsdenkmal“. Ein Blick auf die Inschrift verdeutlicht das: „Friedenskönigin bitt für uns“. Wie die Bäume steht auch die Mariensäule in der Achse der ehemaligen – in der Pflasterung des Platzes heute nicht mehr sichtbaren – Mittelinsel, und nicht in der Achse des Südportals der Kirche.
Mobilitätskonzept für die gesamte Innenstadt in Auftrag gegeben
Die Stadt will den Dionysiusplatz umgestalten und hat dazu vor drei Jahren einen Gestaltungswettbewerb durchgeführt. Der Dionysiusplatz und der Schwambornplatz sollen als ein Ganzes zusammengefasst und belebt werden. Der Siegerentwurf sieht eine Verkehrsberuhigung der Breite Straße vor und die Versetzung der Bäume in de Achse des Südportals der Kirche. Dass das Vorhaben bislang nicht umgesetzt worden ist, liegt laut Schmidt vor allem daran, dass die Konsequenzen für den Verkehr noch nicht zu Ende gedacht sind. Deshalb wurde ein neues Parkraum- und Mobilitätskonzept für die gesamte Innenstadt in Auftrag gegeben. Zurecht, findet Schmidt, denn das gültige Verkehrskonzept datiert noch aus dem Jahr 1952.
„Dabei ist das Raster der Stadterweiterungen um den mittelalterlichen Stadtkern herum prädestiniert für eine zukunftsfähige Mobilitätsplanung, bei der die Verkehrsteilnehmer einen mehr gleichberechtigten Zugang zum öffentlichen Raum bekommen“, betont Claudia Schmidt. Sie sieht den Dionysiusplatz als Knotenpunkt der zukünftigen Radachsen Rhein-/Dionysiusstraße und Breite-/Schneiderstraße.
Die größte Herausforderung nach dem Verkehr wird beim Betreten des Dionysiusplatzes auch für den Laien rasch erkennbar. „Der Schwanenmarkt mit seinen zugestellten oder fehlenden Fensterflächen ist eine nach innen gekehrte Einkaufspassage“, erklärt die Architektin. Der heutige Platz habe zwar immer noch die alte Form, mit Hintereingängen könne aber keine Aufenthaltsqualität entstehen. Außengastronomie sieht Schmidt ohnehin lieber am Schwanenmarkt, dem alten Marktplatz von Krefeld. Dieser ist kompakt und sonnig und liegt für Fußgänger am Weg, während der Dionysiusplatz gefühlt immer noch an der Stadtmauer liegt, was wiederum für Veranstaltungen optimal sei. „Langfristig ist die Öffnung der Einkaufspassage zum öffentlichen Raum wünschenswert, kurzfristig aber nicht zu erzwingen“, sagt Claudia Schmidt. Eine Bereicherung für die Innenstadt wäre es dennoch.