Nothaushalt trifft Behinderte
Rollstuhlfahrer leiden unter fehlender Mobilität. Doch viele können sich Transporte zum Taxi-Tarif nicht leisten.
Krefeld. „Keine Teilhabe ohne Mobilität“: Zu diesem Thema hatte Jochen Hochkamer einen kompetenten Referenten in das Begegnungszentrum Wiedenhof eingeladen. Der Jurist Carl-Wilhelm Rößler vom Kompetenzzentrum selbstbestimmtes Leben (KSL) in Köln gab auf einer Sitzung der Sachverständigengruppe für Behindertenfragen einen Überblick über die Auswirkungen fehlender Mobilität.
Hochkamer wies auf den aktuellen Anlass hin: „Die Stadt Krefeld muss bei den freiwilligen Leistungen auf Grund des Nothaushalts Kürzungen vornehmen. Es sollen 30 000 Euro weniger für die Mobilität behinderter Menschen zur Verfügung stehen“.
Selber seit Jahren im Rollstuhl sitzend, konnte Rößler dem Publikum aus eigener Erfahrung deutlich machen, dass es keine Teilhabe ohne Mobilität gibt. Er schilderte die alltäglichen Probleme, die sich beispielsweise aus den Einkäufen und dem Transport größerer, aber haushaltsüblicher Mengen , den Arztbesuchen, dem Arbeitsleben, dem Studium oder dem gesellschaftlichen Leben mit Kontakten zu Verwandten und Freunden ergeben. „Man kann nur an denjenigen Dingen teilhaben, die man auch räumlich erreichen kann“, so sein Fazit.
Dazu gehöre auch eine „aktive Mobilität und eine gewisse Autonomie“. Ständig nach Mitfahrgelegenheiten suchen zu müssen, führe zu Abhängigkeiten und Unterordnung und schließlich auch zu verringertem Selbstwertgefühl. „Inklusion setzt Begegnung voraus, nur so sind Kennenlernen und Austausch möglich“, erklärt der Jurist. „Auch die Ermöglichung einer politischen Teilhabe erfordert Mobilität.“
Die Bedingungen dazu sind selbst beim Öffentlichen Personennahverkehr nicht so praxistauglich. „Da sind gravierende Lücken für uns im Plan.“ Für viele auf den Rollstuhl angewiesene Menschen ist der Behindertenfahrdienst der „klassischen Art“, so Rößler, die meist genutzte Fortbewegungsart. Doch auch hier gibt es Probleme, wie die Bindung an die Geschäftszeiten des Dienstes, die Schwierigkeiten, kurzfristig Termine zu ändern, oder die begrenzten Kapazitäten.
Ein wesentlicher Punkt ist die Kostenfrage; Transporte zum Taxi-Tarif können sich viele nicht leisten. Kernfrage der finanziellen Unterstützung: „Die Eingliederungshilfe löst zunehmend die freiwilligen Leistungen ab. Aber das große Problem dabei ist, dass der Rechtsanspruch nur für Menschen mit so genannter wesentlicher Behinderung besteht!“ Was unter „wesentlich“ zu verstehen ist, sei nicht eindeutig definiert und noch immer auf dem Stand der 60er Jahre.
Mögen vielleicht wesentliche Behinderungen anerkannt werden, so bedeutet dies nicht unbedingt auch angemessene Unterstützung. Dann wird mit spitzer Feder die Bedürftigkeit festgestellt, bei der die entsprechenden Sätze so zu Ungunsten des Behinderten und seines Ehegatten angesetzt werden, dass oft auch keine Hilfe geleistet werden muss, sagt Rößler.