Prellbock für die Bürger - Ordnungsamtsleiter Helmut Drüggen räumt den Schreibtisch
Nach 46 Jahren hat Helmut Drüggen seinen Schreibtisch bei der Stadtverwaltung geräumt. Der langjährige Leiter des Fachbereiches Ordnung blickt zurück.
Krefeld. Was war zuerst da: Die Henne oder das Ei? Solche philosophischen Fragen stellt sich Helmut Drüggen erst gar nicht. Der langjährige Leiter des Fachbereichs Ordnung hat eine klare Meinung zu den Dingen: „Alles ist eine Frage der Regelung, nicht der Ausführung.“ Vor 46 Jahren begann er in der Krefelder Stadtverwaltung seine berufliche Laufbahn, am 31. Oktober hat er seinen Schreibtisch für Georg Lieser, seinen Nachfolger, geräumt und sich unternehmungslustig in den Ruhestand verabschiedet. Jetzt hat der 64-Jährige Zeit für seine zahlreichen Hobbys und für eine oder auch zwei Tassen Capuccino im Café, ohne im engen Zeitkorsett immer auf die Uhr schauen zu müssen. Für die WZ lässt er sein Berufsleben Revue passieren.
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie dann irgend etwas anders machen?
Helmut Drüggen: Ich würde sicherlich nicht alles noch mal genauso machen, schließlich habe ich heute andere Erfahrungen, aber die Vorstellung ist müßig. Das einzige, was ich gewiss weiß, dass ich bei mehreren Dingen heute nicht mehr so impulsiv reagieren würde. Ich bin im Laufe der 46 Jahre gelassener geworden.
Welche Ihrer zahlreichen Aufgaben hat Ihnen rückblickend am meisten Spaß gemacht?
Drüggen: Am meisten Spaß hat mir 1982 die Verfassungsbeschwerde der Kommunen gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz gemacht. Auch Krefeld hat sich daran beteiligt. Das war hoch spannend, keine Routine, hochrangige Rechtsvertreter waren unsere Gesprächspartner — und wir haben letztendlich gewonnen. Das hat der Stadt 16,7 Millionen Deutsche Mark erbracht.
Welche Aufgabe hat am meisten Schweiß gekostet?
Drüggen: Mein erster Fall im Ausländeramt: das 18-monatige Kirchenasyl der Familie Manaz im Jahr 2000. Die sollte wegen ihrer illegalen Einreise endgültig abgeschoben werden und suchte Zuflucht in der Altkatholischen Kirchengemeinde. Das war sehr knifflig, denn die Rechtslage war eindeutig. Aber andererseits wollten wir den Kindern helfen, die für ihre Lage doch nichts konnten. Durch die Heirat mit ihrem langjährigen deutschen Freund hat sich für die Mutter die rechtliche Situation dann doch noch zum Guten verändert.
Welches Fazit ziehen Sie daraus?
Drüggen: Einerseits wird von den Mitarbeitern der Stadtverwaltung erwartet, dass sie die von der Politik gemachten Bestimmungen einhalten und umsetzen, andererseits werden die Mitarbeiter bei unliebsamen Entscheidungen kritisiert und alleingelassen. Auch fehlt es oftmals dann an Rückmeldungen von den Verantwortlichen.
Sind die Beschwerden über Politissen ein Reizthema für Sie?
Drüggen: Nein, wenn man mit den Beschwerdeführern selbst spricht, räumen die schnell den begangenen Verkehrsverstoß ein. Oftmals ist es der Ton, der sicherlich beide Seiten erzürnt. Wenn es dann Beschwerden von Autofahrern beispielsweise bei der Straßenmodenschau über die zu strikte Auslegung der Parkregelung gibt, darf man nicht das kleinste Rädchen im Getriebe dafür verantwortlich machen. Vielmehr muss die Stadt, wenn sie das denn will, für dieses Wochenende die Verkehrsregelung ändern und die Verkehrsschilder für die Zeit überkleben. Das sollten sich die Bürger auch vor Augen halten.
Was hat sich im Laufe Ihres Berufsleben bei der Stadtverwaltung verändert?
Drüggen: Die „Platzergreifung“ der Frauen. Als ich am 1. April bei der Stadtverwaltung angefangen habe, entschieden sich die Mädchen für die klassische Ausbildung zur Stenotypistin und die Jungs für die Beamtenlaufbahn. Damals gab es nur zwei junge Frauen, die mit uns Männern angefangen haben. Heute ist das bei den Berufsanfängern fast umgekehrt. Was Männer bis heute schwer einsehen, ist, dass Frauen oftmals bessere Leistungen erbringen. Deshalb dürfte es für mich kein Frauenförderkonzept geben, die Inhalte müssten nämlich längst selbstverständlich sein.
Haben Sie Ihre Berufswahl im Laufe der Jahre bereut?
Drüggen: Nein. Für handwerkliche Berufe bin ich nicht geeignet gewesen. Die Arbeit im öffentlichen Dienst hingegen ist bis heute abwechslungsreich und bietet Sicherheit. Das ist vor allem in Zeiten des Konjunkturrückgangs schon was wert. Umso härter war es für mich, als in verschiedenen Sparrunden (1981 im Kindergartenbereich und in den 90er-Jahren in der Verwaltung selbst) wegen hoher Steuerausfälle massiv Stellen abgebaut werden mussten. Das habe ich in entsprechenden Arbeitsgruppen begleitet und war ein Stück erleichtert, dass es ohne betriebsbedingte Kündigungen umgesetzt wurde.
Welche Pläne haben Sie für die kommende Zeit?
Drüggen: Erst mal das Leben zu genießen und eine stressfreiere Zeit zu haben. Ich stehe seit meiner Jugend auf Musik von Bruce Springsteen, Bon Jovi und Nickelback und habe deshalb auch schon Karten für das Springsteen-Konzert am 27. Mai in Köln. Darauf freue ich mich.
Sie sind glühender Fan der Krefeld Pinguine. Was wünsche Sie der Mannschaft?
Drüggen: Viel Erfolg, dass sie die Play-offs erreicht und am besten bis ins Endspiel kommt. Wir haben nämlich eine sehr gute Mannschaft in dieser Saison. Seit 1960 habe ich kaum ein Spiel verpasst. Deshalb haben mir die Kollegen zum Abschied auch eine dreitägige Reise mit meiner Frau zu dem Spiel gegen das Team EHC München in München geschenkt. Das war toll — zumal wir dort auch mit 3 :2 gewonnen haben.