Nach Schreckschüssen am Ostwall Psychiater: „Lärm einer abgefeuerten Waffe ist mit Angst verbunden“

Nach Schüssen auf Hochzeitsfeiern: Ein Gespräch mit Dr. Thorsten Grüttert über Angst-Auslöser.

Foto: DJ

Krefeld. Die Schüsse, die Gäste zweier türkischen Hochzeiten am vergangenen Wochenende bei Autokorsos abgefeuert haben, sorgen weiter für Aufregung — auch im Netz. Neben Verständnis für Tradition auf der einen Seite, äußern die Nutzer auf der Facebook-Seite der WZ vor allem auch eins: Angst. „In der heutigen Zeit ist das Herumfuchteln mit einer Pistole sehr bedenklich.

Egal ob Tradition oder nicht“, schreibt etwa Christian Schmucker. Und Robert P.W. Vogelsang kommentiert: „Es ist dreist und rücksichtslos, da es andere Mitmenschen nicht einfach nur stört, sondern verstört und Angst macht.“

Reagieren wir in Zeiten von Terror tatsächlich sensibler auf Vorkommnisse wie die am Wochenende? Die WZ hat mit Thorsten Grüttert, dem leitenden Oberarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie am Alexianer Krankenhaus, gesprochen.

Herr Grüttert, inwiefern beeinflussen Nachrichten und Bilder wie aus München oder Nizza unsere Realität, verzerren sie vielleicht sogar?

Thorsten Grüttert: Natürlich haben solche Ereignisse wie in Nizza, Brüssel, Paris viele Menschen verunsichert. Plötzlich und unvorhersehbar Opfer radikaler Gewalt zu werden, macht einen neben vielen anderen Gefühlen unendlich ohnmächtig. Ohnmacht kann sich auch einstellen, wenn ausführliche Informationen Bildern die erschrecken, die verunsichern, nicht folgen. Bilder haben natürlich ihre Macht, da sie Ängste unnötig schüren können.

Glauben Sie, die angespannte Situation, die Angst vor Terror, führt zu Panikmache, vielleicht auch Überreaktionen?

Grüttert: Bei allem Respekt vor unterschiedlichen Kulturen kann ich die Frage aus Sicht des Psychiaters nur herunterbrechen auf die Erwartung, das wohlüberdachte, bestehende Gesetze von jedermann in unserem Land eingehalten, respektiert werden. Ich glaube, dass für einen Großteil der Menschen in unserem Land der Lärm einer abgefeuerten Waffe mit Ängsten verbunden ist, eine Überreiztheit der Polizei kann ich nicht erkennen.

Wie entsteht Angst — und was macht dieses Gefühl mit unserem Körper?

Grüttert: Angst gehört zu unseren Grundgefühlen. Es folgt oft ein unmittelbares Gefühl der Bedrohung von Leib und Leben, was einen motivieren soll, die Bedrohung zu bekämpfen oder zu fliehen. Hierfür stellt der Körper Energie zur Verfügung, verändert hierfür die Grundverfassung des Körpers. Angst kann aber auch zur Starre führen. Angst ist oft verbunden mit erhöhtem Blutdruck, Pulsanstieg, vermehrtem Schwitzen, erhöhtem Energieumsatz. Vernünftiges Abwägen wird in angstbeladenen Situationen auch deutlich schwieriger.