Psychiatrie: In Krefeld gibt es doppelt so viele Einweisungen wie im NRW-Schnitt
Die Stadt erklärt die hohe Quote unter anderem damit, dass Krefeld ein Ballungsraum ist. Der SKM fordert klare Anweisungen für die Ärzte und Polizisten.
Krefeld. Zwangseinweisungen in die Psychiatrie sind ein heikles Thema. Denn es geht nicht nur um den Schutz der Kranken und der Bürger, sondern auch um die Beschneidung der Persönlichkeitsrechte. Heikel ist das Thema erst recht, da die Statistiken zeigen, dass immer mehr Menschen gegen ihren Willen in die Psychiatrie eingewiesen werden. Zumindest in Krefeld.
Zahlen des Instituts für Gesundheit und Arbeit des Landes NRW belegen: 2008 wurden in Krefeld 583 Personen nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) eingewiesen.
Damit lag die Quote der Stadt pro 1000 Einwohner bei 2,47, die des Landes liegt nur bei 1,18. Krefeld erreicht somit im NRW-Vergleich den dritten Platz nach Remscheid (3,51) und Bonn (2,56). Noch 2007 wurden in Krefeld 471 (Quote: 1,99) Personen per PsychKG eingewiesen.
Warum sind die Quoten in Krefeld höher als in anderen Kommunen? Das wollte auch Daniel Dick von der Krefelder FDP wissen und stellte eine Anfrage an den Sozial- und Gesundheitsausschuss.
In der Vorlage der Verwaltung heißt es dazu: „Die hohe Anzahl der PsychKG-Einweisungen sollte nicht per se als ein alleiniger beziehungsweise negativer Indikator für die Versorgungsqualität angesehen werden.“ Vielmehr seien sie Indikatoren für eine „engmaschige und patientennahe Versorgungsstruktur“.
Die hohe Quote kann also durchaus positiv interpretiert werden? Das sieht Erhard Beckers, Geschäftsführer des SKM, Katholischer Vereins für soziale Dienste in Krefeld, anders. „Die Probleme sind multifunktional“, sagt er.
Das heißt: Nicht eine einzelne Abteilung ist an den hohen Zahlen schuld, sondern alle Beteiligten — Ärzte, Beamte der Stadt und Polizisten. Denn häufig seien diejenigen, die Entscheidungen zu treffen hätten, unsicher. Beispielsweise die Notärzte, weil sie keine psychiatrische Facharztausbildung hätten. Sein Vorschlag: eine Handlungsanweisung gegen die Unsicherheit. „Ich glaube, dies würde die Zahlen senken.“
Ein möglicher weiterer Grund: Krefeld verfügt — anders als andere Städte — über zwei Psychiatrien, also über ausreichend Kapazität. „Das bedeutet hingegen nicht, dass die Krankenhäuser ihre Betten ausgelastet sehen wollen“, sagt Jörg Hummes, Oberarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie des Alexianer-Krankenhauses.
Darauf hätten die Kliniken keinen Einfluss, weil sie die Einweisung in der Regel nicht veranlassen. „Zwar gibt es zwei Psychiatrien in Krefeld, dafür aber keinen nervenärztlichen Notdienst“, sagt Hummes. Der könne aber besser einschätzen, ob ein Mensch in die Psychiatrie eingewiesen werden oder andere Maßnahmen ergriffen werden müssten.
Einer der Erklärungsansätze der Stadt: Ballungsräume. Dort gebe es „verstärkt soziale Kontakte, wodurch psychisch kranke Menschen eher wahrgenommen werden.“ Das erklärt jedoch nicht, warum Großstädte wie Düsseldorf (1,56), Essen (1,48) oder Duisburg (0,93) niedrigere Einweisungsquoten aufweisen.
Nicht erhoben wird, wie lange Patienten nach einer Zwangseinweisung in der Klinik bleiben. Und das schränkt die Aussagefähigkeit der Statistiken ein. Am Alexianer beispielsweise werden rund 50 Prozent der PsychKG-Eingewiesenen nach spätestens 48 Stunden wieder entlassen.
Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich nun mit der Frage, wie man die hohen Krefelder Quoten senken könnte. Zuletzt tagte sie Anfang Oktober.