Schüleraustausch: Für ein Jahr Sohn einer neuen Familie
Eero kommt aus Finnland und wohnt zurzeit bei Familie Knittel. Neben vielen Gemeinsamkeiten gibt es auch Unterschiede, die das Zusammenleben spannend machen.
Krefeld. Ein Junge sollte es sein, so viel stand fest: „Das war Voraussetzung, denn unser Sohn Tim war nicht von Anfang an begeistert, dass wir einen Austauschschüler bei uns aufnehmen wollen“, erzählt Britta Knittel. Mittlerweile ist Tim aber glücklich, dass Eero für ein Jahr sein Ersatzbruder ist: „Als ich sein Profil gesehen habe, wusste ich sofort, dass er es sein soll.“
Da Tims Bruder Jan-Lukas selbst für ein Austausch-Jahr in Amerika ist, kam die Anfrage der Agentur, ob die Knittels nicht auch ein Gastkind aufnehmen wollen. Sie willigten ein, doch für wen genau sich die Knittels entscheiden, das wussten sie erst, als Eero dann im August vor der Tür stand: „Man bekommt zunächst nur Profile der Kinder, auf denen sie kurz und knapp etwas über sich erzählen“, sagt Britta Knittel. Welchen Glauben das Gastkind hat, oder ob es Vegetarier ist sind einige der Punkte. Der Herkunftskontinent ist auch klar, das Heimatland aber erst mal nicht: „Damit man keine Vorurteile hat“, erklärt Knittel.
Eero kommt aus Finnland, spielt wie Tim Saxophon und Gitarre und ist auch sonst ziemlich „normal“. „Eero ist wirklich ein Glücksfall“, sagt Britta Knittel. „Er ist sehr kommunikativ und hat uns direkt darum gebeten, alles mit ihm zu besprechen, falls er etwas falsch macht.“ Dass die Kommunikation so gut funktioniert, liegt zum einen an den sehr guten Deutschkenntnissen, die der 17-jährige dank sechs Jahren Unterricht mitgebracht hat. Zum anderen liegt es aber auch an der offenen Art, die sowohl der Finne, als auch seine deutsche Gastfamilie auszeichnet. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Deutschen so offen sind“, sagt Eero. In Finnland sei das nicht so, denn man wolle niemanden stören. Auch über die vergleichsweise günstigen Preise und das riesige Angebot im Getränkemarkt hat Eero gestaunt: „Die Schorle kennen wir gar nicht“, erzählt er.
Und Weihnachten? „Das ist auch in Finnland ein sehr wichtiges Familienfest“, sagt er. Neben dem fehlenden Schnee und Pfefferkuchen statt Plätzchen gibt es noch ein paar Sachen, die in Eeros Heimat anders sind: „Einen Weihnachtsmarkt gibt es nicht und zu Essen gibt es an Heiligabend Aufläufe aus Steckrüben, Möhren oder Kartoffeln.“ Dass Eero sich wohl fühlt, merkt man spätestens dann, wenn er davon spricht, wie er mit seinem Vater joggen geht und dabei seinen Gastvater meint. „Er gehört schon richtg zur Familie und wird uns auch nicht mehr so schnell los“, sagt Britta Knittel und lacht.
Eero Asikainen, Austauschschüler
Dass es so gut läuft, ist nicht immer so. Um die Kinder auf eventuelle Schwierigkeiten vorzubereiten, bekommen sie vorab wichtige Infos von der Organisation zu Themen, die Reibungspunkte sein könnten: „Man hat uns gesagt, dass die Deutschen viel Wert darauf legen, Müll zu trennen und Strom zu sparen“, erzählt Eero und alle müssen herzlich lachen: „Man weiß ja nie, in welche Familie man kommt“, fügt Britta Knittel hinzu. Mit „seiner“ Familie ist Eero zufrieden: Sie unternehmen viel zusammen, waren auf dem Weihnachtsmarkt, die Söhne musizieren gemeinsam. Einmal in der Woche besucht Eero sogar die Musikschule.
Dass er aber auch seine Freiheiten hat, zeigen die kommenden Tage. Silvester wollte die Familie eigentlich zusammen feiern. Nun haben sich die Pläne aber geändert und Eero feiert mit Freunden aus der Schule, die er in Krefeld besucht: „Sie haben mich zu einer Party eingeladen und ich freue mich schon.“ Das ist nicht schwer zu glauben, denn Silvester mit Freunden zu feiern, ist nicht die schlechteste Art ins neue Jahr zu starten. Egal, ob in der echten oder in der Ersatzheimat.