Analyse SPD will näher an die Menschen ran

Das Personal ist einmal komplett durchgemischt, das Ziel klar: Ran an die Basis. Doch auf die Worte müssen Taten folgen.

Frisch gekürt: Benedict Winzen.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Die Krefelder Sozialdemokraten mussten in den vergangenen Monaten ihr gesamtes Personal in Fraktion und Partei einmal komplett neu organisieren. Das lag zum einen an der Wahl Frank Meyers zum Oberbürgermeister, der einige erfahrene Wegbegleiter mit in sein Büro genommen hat. Das lag aber auch am Tod des langjährigen Fraktionsvorsitzenden Ulrich Hahnen, der über Jahre das Bild der SPD im Rat geprägt hat. Dennoch ist es gelungen, ein gemeinsames Ziel zu formulieren: zurück zu den ur-sozialdemokratischen Werten, zurück zur Basis. Frank Meyer lebt es an der Stadtspitze vor.

Er ist ein Oberbürgermeister zum Anfassen, geht auf Leute zu, sucht das Gespräch. Dass er gut reden kann, hat er schon in seiner Zeit als Ratsherr bewiesen. Sein Fahrer wundert sich, dass er oft zu Fuß in der Stadt unterwegs ist - zum Beispiel um sich wie jeder andere arbeitende Mensch mittags beim Bäcker ein Brötchen zu holen. Der Mitarbeiter im Rathaus wundert sich, wenn nach seiner Überlastungsanzeige der Chef höchstpersönlich anruft und kurz darauf zum Gespräch ins Büro kommt. Meyer vermittelt, er bezieht Leute ein, er hört zu. Das kommt gut an. Angesichts der Fülle der Aufgaben und Kontakte wird Meyer dies aber so nicht durchhalten können. Er wird Schwerpunkte setzen und Aufgaben delegieren und seine Mannschaft entsprechend aufstellen müssen. Denn die Krefelder erwarten von ihm, dass er die Dinge, die er sagt, auch umsetzt. Meyer spricht viel von der Aufbruchsstimmung. Und selbst wenn die CDU anmerkt, dass die ja in der Kürze der Zeit kaum vom SPD-OB kommen kann, herrscht bei den Sozialdemokraten fast so etwas wie Euphorie. Man feiert sich selbst.

Das war zum Beispiel beim politischen Aschermittwoch bei Gleumes zu erleben, als die Redner auf der Bühne vor lauter Unterhaltung und Gelächter im Saal kaum Gehör fanden. Aber der Erfolg ist kein Selbstläufer. Die Mehrheit im Rat ist äußerst knapp und der städtische Haushalt ist nach wie vor auf Kante genäht. Große Sprünge lassen sich in den nächsten Jahren damit nicht machen. Dass Meyer genau beobachtet wird, wurde zum Beispiel bei der Veranstaltung „Zukunft durch Industrie“ deutlich.

Es ist sicher nicht selbstverständlich, dass ein SPD-Oberbürgermeister in einem Industriekreis so wenig Kritik hört. Doch auch in dieser Runde wurde deutlich, dass man bald Fakten sehen möchte. Ein wenig mehr Schonfrist wird man Benedikt Winzen zugestehen. Der Nachfolger von Ulrich Hahnen als Fraktionsvorsitzender der SPD ist noch nicht mal vier Wochen im Amt. Er geht seine Aufgabe so an, wie man ihn auch als Bundestagskandidaten seiner Partei erlebt hat: ruhig, besonnen verbindlich und sachlich. Sein Vorgänger konnte im Rat auch schon mal richtig lospoltern. Man muss abwarten, wie und wo er seine Akzente setzen wird.

Auf jeden Fall will er seine Vorstandskollegen stärker einbinden, die Arbeit mehr verteilen. Denn im Gegensatz zu Hahnen ist er kein Berufspolitiker. Den Vorsitz im Finanzausschuss hat er anderen Ratskollegen überlassen, zum SWK-Aufsichtsratsvorsitzenden wurde er frisch gekürt.. Die Bürgerbeteiligung spielt jedenfalls auch in Winzens ersten Statements eine große Rolle. Einer seiner ersten Termine führte ihn zu den Bürgervereinen. Darin ist er sich mit dem neuen Parteivorsitzenden Ralph-Harry Klaer einig. Auch er betont die Nähe zu den Normalbürgern, die jeden Tag zur Arbeit gehen und von der Politik mehr erwarten als einen ausgeglichenen Stadtetat. Das könne nur die Grundlage nicht das Ziel sein, hat er im WZ-Interview gesagt.

Er will der Partei neues Leben einhauchen, an die die Basis ran und die sozial Schwachen wieder mehr in den Fokus der Parteiaufmerksamkeit rücken. Auch Klaer ist eher ein Mann der leisen Töne, hat nicht die rhetorische Geschliffenheit eines Meyer, kann aber im Gespräch gut auf Menschen zu- und eingehen. Aber auch für ihn gilt: Irgendwann müssen den Worten Taten folgen. Sonst ist die Aufbruchsstimmung — egal wo sie herkommt — schnell verflogen.