Spenderorgane retten Leben
Die Entscheidung für oder gegen Organspende fällt vielen schwer. Aufklärung gehört zu den wichtigsten Aufgaben — auch in Krefeld.
Krefeld. Ein schwerer Auto- oder tragischer Badeunfall, plötzliche Gehirnblutungen — der Tod reißt Menschen manchmal völlig unerwartet aus dem Leben. Für Angehörige ist das ein Schock. Der Ehepartner, ein Elternteil, vielleicht das eigene Kind ist hirntot.
Im Krankenhaus werden viele in dieser Situation höchster emotionaler Belastung vor die Entscheidung gestellt, das gesunde Herz, die Lunge oder Nieren des Verstorbenen zu spenden, um tod- oder schwerkranken Menschen das Leben zu retten. Menschen wie Roman Hebald-Roelen. Der 57-jährige Krefelder bekam vor viereinhalb Jahren eine neue Niere und damit ein neues Leben — nach acht Jahren auf der Warteliste. Davor bestimmte die Dialyse seinen Alltag.
Die Entscheidung für eine Organentnahme fällt vielen Angehörigen schwer, wenn Organspende zuhause nie ein Thema war, der Verstorbene keinen Spenderausweis besitzt. Aber: Wenn man einer Organentnahme vor seinem Tod nicht schriftlich zugestimmt oder abgelehnt hat, muss die Familie entscheiden. Was wäre im Sinne des Verstorbenen? „In etwa 60 Prozent der Fälle, die uns bekannt sind, lehnen Angehörige eine Transplantation aus Unsicherheit ab“, sagt Birgit Blome von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).
Für den Zeitraum von Januar bis Juni zählt die Stiftung 421 Organspender in Deutschland, 43 weniger als im Vorjahreszeitraum. In NRW waren es 78 — landes- und bundesweit sind es die niedrigsten Zahlen für die Vergleichszeiträume von 2010 bis heute. Zum NRW-Vergleich: Verzeichnet die DSO von Januar bis Juni 2012 noch 132 Spender, waren es in den Folgejahren 98, 88 und 92. „Statistiken aus Ländern wie Belgien oder Kroatien verdeutlichen, dass die Zahl der Spender in Deutschland weitaus höher liegen könnte, als es derzeit der Fall ist“, betont Blome.
Ein Grund dafür könnte sein, dass dort wie in vielen anderen Ländern Europas die Widerspruchsregelung gilt: Menschen müssen die Organspende vor ihrem Tod explizit ablehnen, sonst kommen sie, wenn aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht, automatisch als Spender in Frage.
Ein Blick nach Krefeld: Im Helios Klinikum gab es 2016 bislang drei Spender, deren Herz, Niere, Lunge und Leber nach deren Hirntod in Unikliniken transplantiert wurden. „Im Schnitt haben wir bei uns zwischen zwei und fünf Spender pro Jahr“, sagt Prof. Dr. Elmar Berendes, Transplantationsbeauftragter des Krankenhauses. „Im Sinne des Patienten würde ich mir eine Widerspruchsregelung wünschen, noch mehr aber Freiwilligkeit, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen.“
Aufklärungsarbeit gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Transplantationsbeauftragten: „Unser Anliegen ist es, dass sich die Bevölkerung im Kreis der Familie mit dem Thema Organspende beschäftigt.“ Dabei spiele auch der Umgang mit dem Tod bei der Zurückhaltung eine Schlüsselrolle, sagt Berendes: „Elementare Überlebensängste stehen in unserer Gesellschaft nicht an erster Stelle, deshalb schieben wir das Thema Tod weit weg.“ Bei Betroffenen, die auf ein Spenderorgan warten, ist das anders. Die Transplantationslisten sind lang, und: „Die Patienten werden während der Wartezeit nicht gesünder. Manche erreichen den Zustand, nicht mehr transplantabel zu sein, und versterben.“
Roman Hebald-Roelen hatte Glück. Wenige Tage vor Weihnachten bekommt er 2011 den erlösenden Anruf: Es gibt eine Spenderniere mit guten Gewebeübereinstimmungen für ihn. „Da kriegt man schon feuchte Augen“, erinnert sich Hebald-Roelen an diesen Tag. „Seitdem hat mein Leben wieder eine ganz andere Qualität.“
Bereits im Alter von 20 Jahren wusste der Ingenieur, dass seine Mutter ihm eine Nierenerkrankung, die zu Zystenbildung und Vergrößerung der Organe führt, vererbt hatte. „Als sie an die Dialyse kam, habe ich mir einen Organspendeausweis beschafft“, erzählt Hebald-Roelen. Mit 45 bekommt er selbst die erste Dialyse. „2003 fingen die Beschwerden an, da wurden meine Nierenwerte schlechter. Ich war oft müde und fühlte mich extrem abgeschlagen“, erinnert sich der 57-Jährige.
Neben der körperlichen sei die Dialyse für viele eine psychische Belastung. „Ich habe viele Betroffene erlebt, die sagen sich: ,Wenn ich die Dialyse nicht mache, dann sterbe ich. Aber mit Dialyse lebe ich mit vielen Einschränkungen’“, erzählt der Krefelder und appelliert für mehr Aufklärungsarbeit. Schließlich gehe es dabei um eines: „Anderen durch seinen Tod ein Weiterleben zu ermöglichen.“