Meinung - Pro & Contra Soll jeder automatisch Organspender werden?

Berlin · Pro: So müssen die Menschen sich aktiv mit dem Thema beschäftigen — das ist dringend nötig.

Gesundheitsminister Spahn will mit einer Neuregelung dafür sorgen, dass mehr Deutsche Organspender werden.

Foto: Caroline Seidel

Die Deutschen muss man manchmal zu ihrem Glück zwingen — und noch mehr zu dem Glück anderer. Wie ist es zu erklären, dass noch immer nicht jeder einzelne Mensch in diesem Land als Stammzellspender registriert ist? Wattestäbchen in den Mund und fertig. Und die Spende an sich ist ein winziger Eingriff mit zwei Nadeln im Arm — nicht mehr wie früher eine Operation. Auf Nachfrage heißt es: „Ja stimmt, sollte man mal machen ...“ Genauso die Antwort auf die Frage nach einem Organspendeausweis. Jeder sieht den Sinn, keiner macht sich die kleine bürokratische Mühe.

Natürlich darf es keinen Zwang geben. Wer sich aktiv mit der Thematik auseinandersetzt und feststellt, ihm ist bei dem Gedanken unwohl, der möge widersprechen und eine Organspende ausschließen. Ebenso richtig und wichtig ist es, dass Eltern dies für ihre Kinder tun können. Aber wenigstens sind die Menschen so künftig gezwungen, sich aktiv mit dem Lebensretten zu beschäftigen. So viel darf in einer von sozialen Werten zusammengehaltenen Gesellschaft jeder erwarten, der schwer krank ist. In vielen Ländern funktioniert die Widerspruchslösung bereits. Wichtig ist aber die Aufklärung, wenn die Regel in Kraft tritt. Denn dass Menschen statt aus echtem Willen aus Unwissenheit zu Spendern werden, darf nicht sein.

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Contra: Keine Zwangsspende: Schweigen darf nicht als Zustimmung gedeutet werden.

Jemand bietet Ihnen etwas zum Kauf an. Sie reagieren nicht. Legte man dieses Schweigen als Annahme des Vertrags aus, wären Sie zu Recht empört. Und diese für jedes Alltagsgeschäft selbstverständliche Regel soll nicht mehr gelten, wenn es um elementarste Fragen geht? Wer sich nicht äußert zur Organspende, dessen Schweigen soll ihm als ein „Ja“ ausgelegt werden. Er wird ungewollt zum potenziellen Zwangsspender.

Mit den eigenen Organen Leben retten — das klingt ethisch überzeugend. Aber das „Ja“ fällt wohl nur denen leicht, die sich keine Gedanken machen, was da passiert. Die darauf vertrauen, dass die Hirntoddiagnose als Voraussetzung für die Organentnahme schon zuverlässig ist. Hirntote sind warm, ihr Herz schlägt, sie werden intensivmedizinisch versorgt. Das Hirntodkonzept funktioniert nur, wenn man das Wesen, das da in dem Krankenhausbett liegt, in eine tote Person und einen lebenden Restkörper aufteilt. Einen Restkörper, aus dem funktionstüchtige Organe geschnitten werden.

Menschen, die man ausdrücklich fragt, ob sie Organspender sein wollen, können nach Abwägen des Pro und Kontra entscheiden. Aber wie ein ausdrückliches „Nein“ darf auch ein bloßes Schweigen bei dieser existenziellen Frage nicht als „Ja“ gedeutet werden.