Gericht Stadtangestellter überweist 48 000 Euro auf Omas Konto

Drei Jahre Bewährung wegen Untreue für einen 45-Jährigen: Der Sachbearbeiter hat gegen alle Regeln 72 000 Euro aus einem städtischen Geldtopf an private Empfänger umgeleitet.

Im Krefelder Amtsgericht musste sich am Montag ein ehemaliger städtischer Angestellter wegen Untreue verantworten.

Foto: Peter Steffen

Krefeld. Mehr als 72 000 Euro aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Landes hat ein Sachbearbeiter im Sozialbereich der Stadt Krefeld innerhalb eines Jahres auf private Konten überwiesen. 191 Fälle sind aktenkundig. Weil er nicht vorbestraft und voll geständig ist, das Geld zurückzahlen will und Reue zeigte, kam er am Montag im Amtsgericht mit einer Bewährungsstrafe davon: Zwei Jahre, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, urteilte Richter Jochen Grefen.

Aus Mitleid mit der Kundin B., die sich wegen Beihilfe verantworten muss, habe er ihr an einem Tag im Juli 2013 vorgemacht, es gebe Hilfsmittel für Alleinerziehende, die allerdings unregelmäßig ausgezahlt würden. B. hatte „im Amt“ nach finanzieller Unterstützung für eine Kommunionfeier gefragt, ein Verwendungszweck, den das Bildungs- und Teilhabepaket nicht vorsieht. Daraus werden vielmehr Beiträge für Klassenfahrten, Nachhilfe, Schulessen oder Sportvereine gefördert. „Ich hatte einen schlechten Tag und die Frau hat mir leid getan“, erklärte V.mit leiser Stimme. Er habe ihr etwas ermöglichen wollen.

Die erste Zahlung geschah aus Mitleid, die folgenden, um zu verhindern, dass die Frau im Amt vorstellig wird und ihn möglicherweise bloßstellt. Gut 9000 Euro flossen deshalb innerhalb eines Jahres auf das Konto von Mutter und Tochter B., 43 Mal wurde auch B.s Sohn bedient.

Es gab einen Monat, in dem acht Überweisungen, rund 2000 Euro, aufs Sparkonto gingen. Warum so viel, wollte Richter Grefen wissen. Die Erklärung des Angeklagten: Es sei Urlaubszeit gewesen. „Da war alles einfacher.“

Das Verfahren im Amt verlief immer gleich: V. hatte ein Aktenzeichen, gab einen akzeptablen Verwendungszweck an, nahm einen realen Kundennamen, ein Konto seiner Wahl und setzte eine Summe ein. Doch nur die Vorgesetzte konnte das OK geben und die Zahlung anweisen, in der Regel unter Zugriff auf eine Akte. V. umging dieses Vier-Augen-Prinzip, indem er — sobald die Vorgesetzte ihr Büro verlassen hatte — an deren Computer selbst das OK gab.

Empfänger waren B. und ihre Kinder, die Lebensgefährtin des Angeklagten und seine Oma, auf deren Konto V. Zugriff hatte: 48 000 Euro bekam die alte Dame. Er habe Großmutter und Eltern unterstützt, Schulden abgebaut, Rechnungen bezahlt, sagt V.

Einer Kollegin in der Stadtverwaltung fiel schließlich eine Rechnung auf, zu der es keinen Beleg gab. Die Gruppenleiterin forschte nach, Sparkonten fielen auf — V. gestand.

Der Staatsanwalt sah eine hohe kriminelle Energie des Angeklagten und den „erheblichen Betrag“, wertete Geständnis und Wiedergutmachung jedoch als Entlastung und forderte zwei Jahre und vier Monate Haft.

Die Ausführung der Tat sei denkbar einfach gewesen, hielt V.s Verteidiger dagegen — und dass sein Mandant das Geld nicht für Luxusausgaben verwendet habe, sondern „um wieder auf die Beine zu kommen“.

Am Ende blieb Richter Grefen trotz der "gewerbsmäßigen Taten" unter der Forderung des Staatsanwalts. "Einer Person wie Ihnen darf man kein öffentliches Geld anvertrauen", betonte er aber. Sein Urteil: Drei Jahre Bewährung und 200 Euro monatlich, um die Schulden bei der Stadt abzutragen. Damit hat V.s Verteidiger sein Ziel erreicht: „Kein Gefängnis.“

Die Geldempfängerin B. wurde freigesprochen, obwohl Richter Grefen offen bekannte, ihr nicht glauben zu können, dass sie nichts gewusst habe. B. habe doch merken müssen, dass die Summen ohne Antrag und Stempel auf Familienkonten geflossen seien, in Deutschland, wo nichts ohne Antrag und Papier gehe. Auch habe nicht ihr Name im Verwendungszweck der Zahlungen gestanden. Beihilfe könne man aber nicht nachweisen. „Und einen Betrag vom eigenen Konto abzuheben ist nicht strafbar“, sagt Jochen Grefen.