Inrath: Sozialer Brennpunkt am Kanesdyk wird bürgerlich
Bald verlassen die letzten Spätaussiedler das Viertel. Die Wohnstätte will den alten Block abreißen und die Reihenhäuser renovieren.
Krefeld. Jahrelang galt der Kanesdyk (früher Birkschendyk) als sozialer Brennpunkt in Krefeld: Schwierige Familien wurden in den fünf zu Beginn der 70er Jahre gebauten Häusern mit den geraden Hausnummern einquartiert. Neben dem "D-Zug" bekam Inrath ein zweites Problemgebiet.
Anfang der 90er Jahre wurde es noch multikultureller am Kanesdyk: Für die zahlreich eingereisten Spätaussiedler aus Russland baute die Stadt mit Landeshilfe auf der anderen Straßenseite 17 Reihenhäuser. Eine Zeit lang wirkte das gemischte Quartier wie ein Ghetto; es existierte eine Schranke, Besucher waren nicht allzu willkommen; die Polizei musste häufiger eingreifen, weil es zu Auseinandersetzungen zwischen den Ethnien gekommen war.
Das alles wird bald Vergangenheit sein: "Das Inrather Viertel soll aufgewertet werden", erklärt Thomas Siegert, Vorstand der Wohnstätte. Der gehören sowohl die alten Objekte mit den Flachdächern als auch die Reihenhäuser. Von den 251 Betten für Spätaussiedler sind derzeit noch 33 belegt. Ein Teil ist umgezogen ins andere Spätaussiedler-Quartier am Siemesdyk (derzeit 35 von 236 Betten belegt), der größere Teil hat allerdings auf dem freien Markt eine neue Wohnung gefunden. Ob die Stadt in Zukunft überhaupt noch Aussiedlerbetten vorhalten muss? Günter Pahl, Mitarbeiter im Sozialamt: "Im Jahr 2007 kamen mal gerade 14 Personen nach Krefeld, fast alle aus Kasachstan. Wir werden die Entwicklung beobachten. Nicht auszuschließen, dass auch die Häuser am Siemesdyk irgendwann geschlossen werden und frei vermietet werden können."
Ehe die Wohnstätte aber an die Renovierung der 17 Reihenhäuser am Kanesdyk gehen wird, wartet sie noch auf grünes Licht der Bezirksregierung - sie muss der Nutzungsänderung zustimmen. Dann erst können sie an Familien vermietet werden. Damit würde die Stadt rund 150000 Euro im Jahr sparen.
Seit dem 31. Dezember vollständig geräumt sind bereits die alten Häuser auf der anderen Straßenseite, der eigentliche frühere Brennpunkt. "Es gibt die Überlegung, diese Objekte abzubrechen und durch hochwertige Einfamilienhäuser zu ersetzen," bestätigt Siegert entsprechende Gedankenspiele. Genaueres für die Entwicklung am Kanesdyk werde man im zweiten Quartal dieses Jahres wissen. Auch der Abriss bedarf "höherer" Zustimmung: Denn die von der Wohnungsbauförderungsanstalt (WFA) gewährten Darlehen sind noch nicht vollständig getilgt.
Dreikäsehoch Der Kindergarten des Kinderschutzbundes ist von dem Wegzug der jüngeren Spätaussiedler-Familien nicht betroffen. "Wir haben sogar eine Warteliste", sagt Leiterin Elke Himmelein.
Marienburg Auch der renovierte Treffpunkt für die Kinder und Jugendlichen am Kanesdyk, getragen von der Caritas, wird weiter existieren. Gloria Schlößer sieht in dem nun menschenleereren Quartier einen Vorteil: "Keiner beschwert sich mehr, wenn die Jugendlichen grillen." Allerdings verwildere der Bereich derzeit. Die Sozialarbeit wird am Siemesdyk verstärkt fortgesetzt: Alle zwei Wochen treffen sich die Aussiedler-Frauen zum gemeinsamen Kochen. Ein Kinderzimmer für alle wurde geöffnet.
Förderverein Aufgelöst hat sich nach zwölf Jahren der Förderverein Kanesdyk, der zeitweise 200 Kinder betreute und ihnen bei den Hausaufgaben half.