„Tradition trifft Moderne“ in Hüls Flammenfrau, Nordsee-Impressionen und eine „Laufente an Chamäleon“
Krefeld · Drei Keramik-Künstlerinnen zeigen ihre völlig unterschiedlichen Arbeiten beim Hülser Heimatverein.
Zahlreiche Keramikfans des Hülser Heimatvereins hatten sich für den Samstagnachmittag trotz des Brückentags wohl den Abstecher in die Heimatstuben in den Terminkalender geschrieben. Da kann sich auch Vorsitzender Thomas Delschen angesichts der vielen Besucher erfreut äußern: „Ich habe diese Heimatstuben noch nie so kunstvoll gestaltet gesehen wie jetzt.“ Und fügt das Anliegen des Heimatvereins hinzu: „Es ist wichtig, das Heute für das Morgen zu bewahren, die Gegenwart abzubilden, sehen wir als Ziel.“
Bezirksvorsteher Thorsten Hansen geht kurz auf das Thema der Ausstellung „Tradition trifft Moderne“ ein, beginnt bei der Tradition der Pottbäcker und möchte ebenfalls den Blick nach vorne richten, wobei die drei ausstellenden Hülser Keramikerinnen Rieke Hartwig, Beate Kratzenstein, Antje Schwittmann-Schops Aspekte der Moderne im Kunsthandwerk mit Ton zeigen.
Der letzten Eiszeit verdanken die Pottbäcker nicht nur in Hüls, sondern am gesamten Niederrhein die Tonvorkommen entlang der Hügelkette der Stauchendmoränen vom Hülser Berg über die „Sonsbecker Schweiz“ weiter nach Norden bis zu den Anhöhen rund um Kleve. Dieser Ton brennt zu roten Scherben, das heißt die Gefäße und Objekte bekommen durch das Brennen das unverkennbare Ziegelrot. Vor dem Brennen können als weitere Farben weißer oder schwarzer Tonschlick entweder flächig oder linear mit einem Malhorn aufgetragen werden. Mit Metalloxyden können einige wenige Farben verwendet werden; das Freiritzen von aufgetragenen Farbschichten lässt wiederum den roten Scherben hervortreten.
Unterschiedliche Techniken
kommen zum Einsatz
„Mein Name ist mein Programm“, sagt mit einem Augenzwinkern Beate Kratzenstein. Geritzte Linien finden sich als Gestaltungsmomente auf vielen ihrer Objekte. Sie arbeitet gerne mit unterschiedlichen Bränden. Der moderne elektrische Brand bringt vorhersehbare Ergebnisse; beim traditionellen Holzofenbrand hingegen sorgt der dazugehörende Ascheflug für überraschende Gestaltungen – für verschiedenste Brauntöne, die sich natürlich unregelmäßig auf dem Scherben verteilen. Zwei grundlegende Techniken wendet Kratzenstein bei ihren Objekten an, wie an dem Paar „König und Königin“ oder der „Flammenfrau“ zu sehen. Den unteren Teil hat sie jeweils auf der Töpferscheibe gedreht – „Wenn ich an der Scheibe sitze, geht mein Herz auf.“ Anschließend baut sie darauf mit Platten die weiteren Teile der Körper auf. Eine Vorliebe hat sie auch dafür, mit Fragmenten von Schwemmhölzern den Figuren Köpfe oder den Gefäßen, wie einem Dosenpaar, Griffe zu geben.
Bei den Arbeiten von Rieke Hartwig kann man als einen roten Faden das Reisen wiederfinden. Impressionen von der Nordsee sind in „Zeeland I und II“ zu sehen, bei denen der rote Scherben auch mal als Abendrot über dem Wasser durchscheint. Andere Urlaubserinnerungen zeigen Architektur aus England und Venedig, die in einem aufwendigen Prozess auf den selbstgemischten Ton gebracht wurden – unverkennbar, dass dabei Fotografien als Gestaltungselemente dienen. Sie erklärt ihr Vorgehen: „Das Foto wird in Schwarz-Weiß bearbeitet, um die Kontraste zu verstärken. Dann wird es im Negativ mit einem Laserdrucker auf ein Papier gebracht. Anschließend kommen Feuchtigkeit und Farben ins Spiel, so dass das Blatt mit dem Architekturmotiv zu einer Matrize wird und ich es so auf den Untergrund bringen kann.“
Für Antje Schwittmann-Schops sind Tiere ein beliebtes Thema. „Ich bin ein Insektenfan“, gesteht sie, was angesichts der Entomologischen Sammlung in Krefeld nicht überraschen muss. „Ich habe schon als Kind Insekten gesammelt und studiert und heute neige ich dazu, sie überdimensioniert darzustellen, wie zum Beispiel den Nachtfalter Brauner Bär oder die Feuerwanze.“ Aber auch von Natur aus größere Tiere zeigt sie mit einem Eisbär, zwei Steinböcken oder einer „Laufente an Chamäleon“. Das 100-jährige Bauhausjubiläum hat sie zu ihrer Interpretation des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer inspiriert. Dabei gelingt es ihr, den aus frei aufgebauten und gedrehten Elementen sehr abstrakten Tänzern Leben und sogar Kommunikation anzudeuten – dies sogar noch mit Witz, betrachtet man den kleinen Tänzer mit Knubbelbauch, der eine Frau zum Tanzen auffordert.
Dass diese drei Hülser Keramikerinnen gemeinsam ausstellen, ist nicht überraschend, denn sie haben gemeinsam Keramik-Design in Krefeld studiert und seit 1979 immer wieder gemeinsam gearbeitet und ausgestellt, so wie aktuell gegenüber dem Kaiser-Wilhelm-Museum in der Galerie „Ebenerdig“. Verbindung zu halten über Jahrzehnte hinweg, kann man auch als eine schöne und nicht selbstverständliche Tradition bezeichnen!