Inrath 900 Kilo schwere geballte Kraft
Einen ihrer letzten Baum-Einsätze für dieses Frühjahr hatten die beiden Rückepferde der Stadt. Danach geht es in die Sommerpause — nicht ohne Arbeit.
Krefeld. Es knackt im Gehölz. „Komm! Rum! Ein! Steh!“ schallt es durch den kleinen Wald an der Widderschen Straße. Indigos schwere Hufe bohren sich in den weichen Boden. Der Kaltblüter zieht einen gefällten Baum nach dem anderen mit seinem Pferdekollegen Jocke aus dem Dickicht der Brunnengalerie. Die beiden Rückepferde spitzen die Ohren für die Kommandos ihrer beiden Chefs Roman Dzulaj und Jörg Platen. „Rum“ heißt rechts, „ein“ linkes.
Der Einsatz in dem kleinen Waldstück mit Brunnen zur Trinkwassergewinnung ist einer ihrer letzten für die gerade auslaufende Saison, die von August/September bis etwa Ende März beziehungsweise Anfang April läuft. Naturnahe Waldwirtschaft ist das, was mit Hilfe der beiden Tiere in den städtischen Forstgebieten möglich ist. „Sie verlieren Pferdeäpfel, aber kein Öl“, fasst Stadtförster Arno Schönfeld-Simon das simple Rezept zusammen.
Und so sind sie zum Beispiel in der Brunnengalerie, in der der Wasserschutz oberste Priorität hat, die bessere Wahl. Auch im Hülser Bruch, wo der Boden sehr feucht ist, könne man, so Schönfeld-Simon „sehr gut mit Pferden arbeiten statt mit dem Traktor zu versaufen“. Und außerdem braucht eine Zugmaschine eine breite Schneise, während die Rückepferde zwischen eng stehenden Bäumen hindurchschlüpfen können.
Wobei Schlüpfen darf man das wohl nicht nennen, wenn 900 Kilo geballte Kraft im Einsatz sind. „Die können ihr eigenes Körpergewicht ziehen, zumindest kurzfristig, also so zehn bis maximal 15 Meter“, erzählt Roman Dzulaj, der seit 2006 als Pferderücker für die Stadt Krefeld arbeitet und Jockes und Indigos Ausbildung miterlebt hat. Die beiden Hengste (13 und 10 Jahre alt), die 2007 beziehungsweise 2008 ihren Dienst in der Seidenstadt begannen, wurden ausgewählt, weil sie „im Rohzustand charakterlich zu ihrer Aufgabe passten“, sagt Pferderücker Jörg Platen. Außerdem mussten die beiden Vierbeiner von der Größe her zueinanderpassen, damit sie im Gespann harmonieren.
Nach ihrem Umzug nach Deutschland musste das Duo noch viel lernen. „Indigo war dreieinhalb Jahre, der konnte gar nichts“, erinnert sich Dzulaj. Ein bis anderthalb Jahre etwa dauert eine Ausbildung zum Rückepferd.
Am Anfang ging es für die zwei gebürtigen Belgier, die in den Niederlanden aufwuchsen, erst einmal leicht los. „Vorwärts, rückwärts und vor allem anhalten mussten sie lernen“, berichtet Dzulaj. Letzteres ist überlebenswichtig. Denn wenn die Pferderücker beispielsweise stolpern, wären die Kaltblüter für sie eine massive Gefahr. Ob ein Baum fällt oder ein Hund bellt, „Hüh“ oder „Steh“ muss sofort funktionieren.
Allzulange werden die Hengste, die die Hälfte aller gefällten Bäume bei Durchforstungen im Krefelder Forst abtransportieren, den Pferderückern nicht erhalten bleiben. Denn so ein Leben mit fünf bis sechs Stunden Arbeitszeit am Tag — selbstverständlich unterbrochen von einer erholsamen Mittagspause mit Hafer, Heu und Wasser — soll auch am Ende eine verdiente Pension bringen. „Wenn die Tiere zehn bis zwölf Jahre im Wald gearbeitet haben, suchen wir Menschen, die sie aufnehmen“, erzählt Schönfeld-Simon. Das langjährige Krefelder Rückepferd Max zum Beispiel fand ein neues Zuhause in Unterweiden.
Für Indigo und Jocke fängt in diesen Tagen nun erst einmal die Sommerpause an. Im Reitstall Wetzels im Inrath werden sie es sich gut gehen lassen. Ihre Einsätze in der warmen Jahreszeit beschränken sich darauf, die Reitwege abzuziehen. Während ihre menschlichen Kollegen beispielsweise die kleinen Bäume in der ungwuchspflege betreiben.