Darüber streitet Inrath
Zu hohe Zäune und rieselnde Kiefern: Nachbachbarschafts- Fehden haben jetzt Hochsaison. Gespräch mit Schiedsmann Hans-Walter Weiß.
Inrath. Auch für Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es eine Hochsaison. Diese beginnt laut Schiedsmann Hans-Walter Weiß im Frühjahr. Denn dann wächst und gedeiht in der Natur bekanntlich alles prächtig - und sorgt auf dem Grundstück nebenan gerne mal für Zornesfalten. So mancher kann es nicht ertragen, wenn Nachbars Hecke auf den eigenen Grund und Boden ragt. Jetzt im Sommer entzündet sich der Streit häufig am Grill-Vergnügen der einen Seite. Frei nach dem berühmten Spruch: „Es kann der begeisterte Brutzler nicht in Frieden leben, wenn der Nachbar den Rauch nicht mag.“ Und auch andere „Emissionen“ können in den heißen Monaten Ärger bedeuten: „Im Sommer stinkt der Komposthaufen manchen Leuten besonders“, berichtet Weiß aus seiner Schiedsmann-Praxis.
Der Inrather weiß, wovon er spricht. Seit acht Jahren hat er das Ehrenamt für den Bereich Krefeld-Nord inne. Der pensionierte Lehrer für Deutsch und Englisch wollte „im Ruhestand noch etwas zu tun haben“. Und der Zufall wollte es, dass seine Wahl schließlich auf die Schlichtung von Streitigkeiten fiel. Genauer gesagt: von Nachbarschaftsstreitigkeiten. Denn Weiß hat fast nur mit Fällen zu tun, in denen die verfeindeten Parteien nah beieinander wohnen. 2015 landeten 25 Fehden auf seinem Tisch, im Vorjahr waren es lediglich fünf. Für dieses Jahr ist bereits eine Handvoll zusammengekommen.
Die Bandbreite der Auslöser ist enorm. Sie reicht vom angeblich zu hohen Zaun über fremde Kiefernnadeln auf gepflegtem Rasen und Wurzeln, die Terrassenplatten anheben, bis hin zu Kinnhaken und Beleidigungen. Kamera-Ausspähung und die ungepflegte Konifere sind weitere Klassiker. Ob Studentin oder Rentner: Fast alle Generationen sitzen sich im Wohnzimmer von Hans-Walter Weiß gegenüber. Der Zwist kennt auch keine Geschlechter. Frauen schimpfen nach der Erfahrung des Experten genauso häufig über den Zaun wie Männer.
Die meisten Streithähne (und -hühner) duzen sich. Denn in der Euphorie der ersten gemeinsamen Zeit nebeneinander hatte man rasch Brüderschaft getrunken. Doch mit der zu lauten Teichpumpe oder ähnlichen Ärgernissen verflog die Sympathie und schlug schließlich in offene Feindschaft um. Selbst der Tod beendet diese nicht nicht immer. „Ich kenne Fälle, in denen der Zank an die nächste Generation vererbt wurde“, erzählt der Schiedsmann und nennt ein Beispiel: „Schon dein Vater hat meinen Vater wegen dieses blöden Baums in den Wahnsinn getrieben.“
In bis zu 80 Prozent der Fälle, schätzt Weiß, wird das Ziel des Schlichtungsgesprächs erreicht: „eine einvernehmliche Lösung auf Augenhöhe“. Doch in „schlechten Jahren“ könne das Verhältnis auch schon mal ungünstiger ausfallen. So lag es vor einem Jahr bei nur eins zu vier. Dann bleibt nur der Gang vor Gericht. „Das ist deutlich teurer als eine Einigung bei einer Schiedsperson“, betont der Inrather. Seine Gebühr liege zwischen 30 und 40 Euro. „Und vor Gericht fängt es unter hundert Euro gar nicht erst an.“