Jochen Thüsing und der Blick fürs richtige Motiv
Mit Mädchen-Fotos in der Tanzschule fing alles an. Heute hat sich Jochen Thüsing auf Landschafts-Motive verlegt und gibt sein Wissen in Bildbearbeitung in der VHS weiter.
Traar. Für das perfekte Bild nimmt Jochen Thüsing schon mal eine dreckige Hose in Kauf. "Ich lege mich fallweise auf die Wiese und nehme jede noch so unbequeme Position ein, wenn es darum geht, dem Bild eine interessante Perspektive zu geben. Denn nur mit Beharrlichkeit kommt man zum Ziel", weiß der Hobby-Fotograf aus Traar.
Mit einer "Voigtländer" fing alles an. Jochen Thüsing war 15, die Kamera ein Geschenk seiner Eltern. Sein liebstes Motiv: "Ich habe immer die Mädchen in den Tanzstunden fotografiert und die Bilder in der Dunkelkammer unserer Schule selbst abgezogen", erinnert sich der 67-Jährige. Die Klassenkameraden waren begeistert. Und Thüsing hat im Foto-Labor sein erstes Taschengeld verdient.
"Doch ich hatte kein besonderes Interesse daran, das Thema Menschen zu vertiefen." Deshalb hat sich Thüsing auf Landschafts-Motive verlegt, die bei einem gelungenen Bild geradezu ein Glücksgefühl bei ihm erzeugen: "Sich für Landschaft interessieren heißt, sich Zeit zu nehmen für seine Umgebung. Es ist ein Ringen um den optimalen Aufnahmestandpunkt. Und es geht immer darum, Spannung im Bild zu erzeugen, zum Beispiel durch interessante Wolkenformationen. Blauer Himmel ist doch stink-langweilig", findet Thüsing.
An Raureif-Tagen ist er deshalb "wie elektrisiert". Dann gleitet die kleine, handliche Digitalkamera in seine Hosentasche. "Denn eine schwere Profi-Kamera möchte ich nie mehr über der Schulter hängen haben. Meine Bilder beweisen doch, dass weniger die Kamera als vielmehr das Motiv und der Blick dafür entscheidend für ein gutes Foto sind."
Wer es nicht glaubt, den belehrt Thüsing bei seinen regelmäßig stattfindenden Fotoshows und Ausstellungen eines besseren: Ob die Kopfweiden-Wiese, die Schaf-Herde, das Bauernhaus oder das rote Herbstlaub im Park von Schloss Dyk: Thüsing hat sich eine bestimmte Blickweise "antrainiert", wie er sagt. Die lasse ein wenn auch schönes, aber im Grunde doch gewöhnliches Niederrhein-Motiv trotzdem zum Hingucker werden.
"Nicht frontal, sondern seitlich aufnehmen", lautet ein weiter Trick des Hobby-Künstlers. "Auch Licht verändert Bilder ungemein. Manchmal breche ich mehrmals zu ein und demselben Ort auf, wenn ich denke, ein noch besseres Bild machen zu können mit der passenden Frühlingssonne oder Gegenlicht. Und wenn ich dann nach Hause marschiere, bin ich hochgradig gespannt auf die Ausbeute."
Bei der Auswertung sortiert Thüsing jedoch zwei von drei Fotos aus. Aus der stark komprimierten Sammlung bastelt er anschließend eine professionelle Fotoshow mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms. "Das ist nicht schwer, man muss nur Grundkenntnisse am Computer mitbringen, und außerdem ist es viel unterhaltsamer für den Freundeskreis, die Urlaubsfotos zu betrachten", macht der gelernte Diplom-Kaufmann den Teilnehmern seiner VHS-Kurse Mut. "Es gibt doch nichts ermüdenderes als die berühmten Dia-Abende bei Freunden, nicht wahr?"