Ölpreis Tankwarte freuen sich über fallende Sprit-Preise
Die Autofahrer füllen spürbar mehr nach. Einige Firmen aus dem Industriesektor leiden hingegen unter enormen Verlusten.
Krefeld. Auch wenn es für viele Kunden eine Überraschung sein dürfte: Tankstellenbetreiber samt der Kunden freuen sich über die fallenden Spritpreise. „Die Verbraucher tanken spürbar mehr, vor allem im vergangenen Jahr gab es einen deutlichen Schub“, berichtet Hans-Jörg Pins, Chef der Aral-Tankstelle in Hüls. Der Anteil am Gewinn pro umgesetztem Liter bleibt für die Betreiber gleich, egal, wie viel Benzin und Diesel gerade kosten. Fazit: Je mehr getankt wird, um so höher der Gewinn, je mehr Kunden, um so besser auch der Verkauf in den Tankstellenshops, deren Erlös die Haupteinnahmequelle ausmacht.
Gregor Werkle, IHK-Referent für Wirtschaftspolitik, sieht einen überwiegend positiven Effekt des Ölpreisverfalls. „Von der höheren Kaufkraft der Verbraucher profitiert vor allem der Einzelhandel, aber auch Branchen wie die Logistik und die Chemische Industrie, die Öl für die Produktion verwendet“, sagt er.
Negative Auswirkungen verspürten lediglich Unternehmen, die Geschäfte mit erdölfördernden Ländern wie Russland und Saudi Arabien machen, zum Beispiel der Maschinenbau, der Pumpen exportiert. Der Einfluss der Energie auf das Geschäft und auf das Risiko werde derzeit von vielen Betrieben als weniger groß eingeschätzt. Dies äußere sich auch in den jüngsten Umfragen, in denen 35 Prozent der Krefelder Firmen die Lage als gut und nur 14 Prozent als schlecht bezeichnen.
„Des einen Freud ist des anderen Leid“, sagt ein Sprichwort, das sich auf die Folgen des starken Preisrückgangs für Rohöl treffend anwenden lässt. Was Autofahrer, Heizölverbraucher, Fluglinien und Logistikbetriebe freut, ist Gift für Unternehmen manch anderer Branchen.
Vor allem die Mineralölkonzerne melden Einbrüche bei Umsatz und Gewinn in Milliardenhöhe. Der britisch-niederländische Ölkonzern Shell verzeichnete 2015 einen Rückgang des Nettogewinns von 13,5 (2014) auf 1,75 Milliarden Euro. Der norwegische Ölriese Statoil listet im vergangenen Jahr vier Milliarden Euro Gewinnverluste auf und rutschte in die roten Zahlen. Schon seit Mitte 2014 fällt der Ölpreis, von damals rund 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) auf zuletzt 30 Dollar.
Ein indischer Nachrichtendienst meldet, dass der Liter Rohöl dort mit 17 Euro-Cent bereits billiger ist als Mineralwasser mit 21 Cent. Analysten von Investmentbanken prognostizieren, dass die 30 Dollar pro Barrel noch nicht das Ende des Tiefstandes sind. Sie rechnen mit einem weiteren Preissturz auf bis zu 10 Dollar.
Der Preisverfall ist Folge eines Überangebots und verhaltener Nachfrage. Nach dem Ende des Wirtschaftsboykotts gegen den Iran drängen neue Ölmengen auf den Markt. Russland — wirtschaftlich in Nöten — fördert mit mehr als zehn Millionen Barrel am Tag so viel Öl wie nie zuvor. China nimmt wegen seiner Wirtschaftskrise als weltweit größter Verbraucher weniger ab als bisher.
Die Folgen sind für die Energiekonzerne erheblich. Sie investieren weniger und streichen Stellen. Der weltgrößte Technikdienstleister der Ölbranche, der US-Konzern Schlumberger, baut gerade weitere 10 000 Stellen ab. Saudi Arabien wird seinen Staatshaushalt wegen der gesunkenen Ölpreise für 2015 mit einem Rekordminus von 90 Milliarden Euro abschließen.
Der starke Preisverfall sorgt auch für Preisdruck im Euroraum. Ebenso betroffen sind deutsche Öl- und Gasunternehmen wie Wintershall. Zum Nutzen der Verbraucher: Energie war im Januar um 5,3 Prozent günstiger als ein Jahr zuvor. Der heimische Heizölpreis steht auf einem Sechs-Jahrestief. Der Liter ist derzeit für etwa 52 Cent inklusive Mehrwertsteuer zu haben (bei 3000 Liter Abnahme).
Geht der Preisverfall weiter, geraten nicht nur Ölkonzerne in Not, sondern auch börsennotierte Staatsfonds und Staatshaushalte. Schließlich kassiert Bundesfinanzminister Schäuble kräftig mit.