Tante Polly macht Wünsche wahr
Das Podio bringt mit einem komödiantischen Musical das Publikum zum Nachdenken und zum Lachen.
Süd. Tante Polly als Fee im mittleren Dienst, die Wünsche erfüllen kann, ein Lebensmüder, der sich vor die U-Bahn werfen, sowie ein Schaffner, der dies aus leidvoller Erfahrung verhindern will — die Rollen sind dem kleinen spielfreudigen Podio-Ensemble auf den Leib geschrieben. Jetzt war das komödiantische Musical des Wohnzimmertheaters zum zweiten Mal in der Fabrik Heeder zu Gast. Text und Musik der Eigenproduktion stammen von Thomas Hover, der den Part des Lebensmüden übernimmt, mit sonorer Bassstimme inbrünstig intoniert und über Tod und Hoffnung, Liebe und Glaube sinniert.
Dazu angeregt und inspiriert wird er von Tante Polly. Überraschung: Die Fee mit dem Zauberstab ist ein Mann — eine maßgeschneiderte Rolle für Podio-Chef Rüdiger Höfken. Schon dessen Outfit im pinken Tütü, in lilafarbenen Leg Warmers, im rosa Glitzer-shirt, das sich über den Bauch spannt, und mit geblümtem Stirnband ist eine Wucht. Kein Wunder, denn Inszenierung und Ausstattung liegen bei Theaterschauspielerin und Höfken-Ehefrau Betty Ixkes in besten Händen.
Ein Lebensmüder über Tante Polly
Komplettiert wird das Männerduo durch Klaus Klaas am Keyboard, der wie Hover Mitglied des beliebten Kabarett-Ensembles Herrencreme ist und die Texte musikalisch umsetzt. Seine Rolle in Schaffneruniform, wobei er sich in Hollywood-Manier hinter wechselnden Sonnenbrillen versteckt, bleibt lange unklar. Erst im zweiten Teil wird erklärt, dass er einst den Selbstmord einer verzweifelten Mutter mit ihren Kindern nicht verhindern und nur ein Kind retten konnte. Seither wacht er als guter Geist darüber, dass kein vergleichbares U-Bahn-Drama mehr passiert.
Der Erfolg des Theaterstücks resultiert aus dem gelungenen Mix aus Komödie und Musical, für das „Komödical“ die passende Bezeichnung ist. Die ausgelassene Spielfreude der Darsteller und die Idee der Story tun ihr Übriges. Tante Polly ist die Fee, die genau zu denen kommt, die gerade im Begriff sind, eine Dummheit zu begehen. Mit etwas Hokus Pokus und gesundem Menschenverstand werden Selbst- und Weltbild wieder geradegerückt. Diese Fee erfüllt nicht nur Wünsche, sie zaubert dem Publikum auch so manches Lächeln ins Gesicht. Etwa, wenn sie elfengleich über die Bühne tänzelt und immer wieder die rutschenden Bermudas und das Tütü hochziehen muss.
„Da will man sich schon einmal umbringen, und dann verpasst man die letzte Bahn“, klagt der verhinderte Selbstmörder noch in der ersten Szene. Tante Polly will ihn nicht zu seinem Glück zwingen. Vielmehr versucht sie, ihn durch Nachdenken eines Besseren zu belehren, wird aber zunächst nicht als gute Fee akzeptiert. „Transen-Lady“ muss sie sich titulieren lassen. Und: „Eine Fee habe ich mir ganz anders vorgestellt — graziler und weniger männlich.“ Doch Polly lässt sich nicht darauf ein und beweist ihre Kompetenz. „Du bist Thomas Müller, 54 Jahre alt, ledig und lebensmüde. Ich bin geschickt, um dich ins Leben zurückzuführen. Du hast einen Wunsch frei.“
Nach und nach entdeckt Thomas, woran es in seinem Leben krankt. „Ich bin allein“, stellt er fest. „Schön, wenn man sich wieder verlieben könnte oder wenn man reich wäre.“ Im Folgenden entspinnt sich ein Gedankenspiel, was wäre, wenn . . . Erkenntnis: Viele Wünsche, etwa nach Reichtum, müssen teuer erkauft werden oder münden in eine Sackgasse. Auch Schlager allein machen nicht glücklich. Das wird in einer wunderbaren Persiflage deutlich. Thomas zeigt sich geläutert, und Polly resümiert vor dem begeisterten Publikum, dass es nur auf Mut im Leben ankommt.