Gericht Tod in der Kita: Prozess gegen Erzieherin

Krefeld · Vor Gericht steht die 25 Jahre alte Erzieherin einer Kita in Viersen. Der Vorwurf: heimtückische Tötung eines Mädchens. Doch es geht auch um Fälle, bei denen andere Kinder verletzt wurden. Und wohl auch darum, warum Zusammenhänge nicht gesehen wurden.

Zum Gedenken an das getötete Kind liegt ein Stofftier vor dem Kindergarten.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Wegen der Corona-Pandemie war die kleine Greta am 21. April in der Notbetreuung ihrer Kita in Viersen am Niederrhein. Eine Stunde und 25 Minuten nach Beginn des Mittagsschlafs gab es Alarm. Sie bekomme das Kind nicht wach, sagte eine Erzieherin. Diese Frau sitzt ab dem 17. November im Landgericht von Mönchengladbach auf der Anklagebank. Der Prozess hat am Dienstag begonnen. Der Vorwurf lautet: Mord.

Die 25-Jährige soll laut der Anklage der Dreijährigen den Brustkorb bis zum Atemstillstand zusammengedrückt haben. Auch in weiteren Kitas in der Region, in Krefeld, Kempen und Tönisvorst, soll sie seit August 2017 jeweils ein Kind teils mehrfach attackiert haben, so dass die Kleinen Atemwegsprobleme bekamen und teils leblos waren. Im Prozess verhandelt wird deshalb auch Misshandlung von Schutzbefohlenen in neun Fällen. Das Schwurgericht in Mönchengladbach hat 19 Verhandlungstage bis Anfang März eingeplant, um den aufsehenerregenden Fall zu verhandeln.

Nebenkläger sind die Mutter der mutmaßlich ermordeten Greta und zwei der laut Anklage geschädigten Kinder aus Krefeld und Kempen am Niederrhein. Mehr als 20 Zeugen sollen gehört werden. Das Motiv der Angeklagten ist unklar, die Anklage spricht von heimtückischer Tötung.

Ermittlungen ergaben unerklärliche Fälle von Atemnot

Da die Angeklagte als Letzte mit Greta zusammen war, begannen bei ihr die Ermittlungen. Und es kam immer mehr zutage: An anderen Arbeitsplätzen der Frau hatte es bei Kleinkindern unerklärliche Fälle von Atemnot oder gar Atemstillstand gegeben. Aber keiner der Träger hatte das zuständige Landesjugendamt informiert, was die entsetzte Öffentlichkeit im Sommer erfuhr.

Auch Landtagsabgeordnete wollten informiert werden. Dem Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags schilderte das Justizministerium in einer Vorlage ausführlich über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wonach die Frau in allen Kitas gescheitert war. Ein Vertrag wurde wegen „fehlender fachlicher Kompetenz und Engagement“ nicht verlängert. In der Kita in Viersen hatte die als empathielos beschriebene Frau gekündigt. Der Arbeitgeber wollte die Anstellung ohnehin beenden.

Auch die Justiz hatte in einem Fall nicht korrekt gehandelt: Denn die Deutsche war 2019, als sie längst als Kindergärtnerin arbeitete, wegen Vortäuschens einer Straftat an ihrem Heimatort Geldern aufgefallen. Eine Ärztin stellte fest, dass sie dringend psychologische Hilfe benötige, was die Erzieherin auch bestätigte. Aber die Aufsichtsbehörde wurde von der Staatsanwaltschaft nicht über die psychische Verfassung der Frau informiert. Sie arbeitete weiter mit kleinen Kindern.

Dass die Ermittlungen überhaupt in Gang kamen, geht auf eine Anzeige der Kinderklinik zurück, in der Greta starb. Denn die Mediziner fanden keine Erklärung für den plötzlichen Herzstillstand und wurden misstrauisch. Es gab eine rechtsmedizinische Beratung. Die kleine Leiche wurde obduziert.

Prozess beginnt ein halbes
Jahr nach der Festnahme

Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach der Festnahme beginnt der Prozess in dem monumentalen Gerichtsgebäude im Saal A100. Über dem Eingang zu diesem holzvertäfelten Raum prangt ein Schild mit der geschwungenen Aufschrift „Schwurgerichtssaal“. Wegen der Corona-Pandemie können höchstens 20 Plätze frei vergeben werden. Da die Sitzbänke in dem historischen Saal festgeschraubt sind, lassen sich die Abstände nicht verändern. dpa