„Über den Krieg nicht gesprochen“
Ernst von Hagen im Geschichtskurs des MSM-Gymnasiums.
Krefeld. Ernst von Hagen ist gut vorbereitet. In seiner Mappe liegen in Sütterlinschrift verfasste Postkarten und Briefe, offizielle Schreiben und Urkunden. In den nächsten 90 Minuten helfen sie dem 83-Jährigen, sich an längst Verdrängtes zu erinnern. Ernst von Hagen ist einer von über 50 Zeitzeugen, die sich spontan auf einen Aufruf der Westdeutschen Zeitung meldeten.
Jetzt bereicherte er mit seinen eloquenten Erzählungen die Geschichtsstunde der Klasse 9b des MSM-Gymnasiums in Fischeln. Als 13-Jähriger erlebte er die Bombennacht vom 21. auf den 22. Juni 1943 im Luftschutzkeller seines Elternhauses in der Friedrich-Ebert-Straße.
661 englische Flugzeuge warfen damals mehr als 2000 Tonnen Spreng- und Brandbomben über Krefeld ab. „Eine achteckige Stabbrandbombe war durch unser Dach geschlagen und im Fußboden steckengeblieben“, erzählt von Hagen. „Ein Nachbarsjunge zog die Bombe mit Asbesthandschuhen raus und warf sie weg. Meine Mutter löschte die Brandstelle mit Sand.“
Sprengbomben hatten die Nachbarhäuser zerstört. Auch das Haus der Cousinen in der Garnstraße fiel dem Bombenangriff zum Opfer. „Am nächsten Tag musste mein Bruder unsere tote Großmutter identifizieren. Alle Leichen wurden auf dem Friedrichsplatz aufgebahrt“, erzählt von Hagen den 20 betroffen schweigenden Schülern.
Im August 1943 kam Ernst von Hagen in die Kinderlandverschickung. Auf Umwegen ging es in ein Kloster in der Nähe von Neustadt an der Saale. „Wir schliefen auf Strohsäcken in einem Saal mit 60 Betten“, erinnert sich von Hagen. „Wenn das Stroh frisch war, schlief man sehr gut.“
Als Mitglied im Deutschen Jungvolk, einer Unterorganisation der Hitlerjugend, mussten die Jungen im Alter zwischen zehn und 14 Jahren Holz hacken und als Erntehelfer einspringen. „Ostern 1945 konnten wir unsere Sachen packen. Die Jahrgänge 1929 und 1930 durften wieder nach Hause. Aber zu Fuß!“
Ernährt haben sie sich die nächsten sechs Wochen von Brennnesseln und Kartoffelschalensuppe. „Die wurde in Benzinfässern gekocht. Die ersten acht Tage schmeckte man das auch.“ Sein Humor half Ernst von Hagen über so manch schwierige Situation hinweg. Er habe alle Kriegsereignisse gut verkraftet, versichert er den zweifelnden Schülern.
Wie Krefeld nach dem Krieg aussah, wollen sie noch von ihm wissen. „Überall wuchsen Lupinien wie Unkraut auf den Trümmergrundstücken. Wir haben sie Trümmerblumen genannt.“ Mit seinen Eltern hat Ernst von Hagen nie über den Krieg gesprochen. „Ich habe mich nicht getraut zu fragen.“ fie