Umgang mit AfD-Professorin: Hochschule Niederrhein räumt Fehler ein

Präsident von Grünberg exklusiv im Gespräch mit WZ und SPD-Politiker Bell über AfD-Professorin.

Foto: Bischof

Die AfD-Professorin Karin Kaiser sorgt für Turbulenzen an der Hochschule Niederrhein, der Fall liegt jetzt bei den Juristen. Im Gespräch mit der WZ und dem Wuppertaler SPD-Landtagsabgeordneten Dietmar Bell, wissenschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion, räumt Hochschul-Präsident Professor Dr. Hans-Hennig von Grünberg Fehler im Umgang mit dem Fall Kaiser ein. Erklärt aber auch, dass es Facetten gibt, die er in der Öffentlichkeit weder diskutieren kann noch möchte. Und er sagt: „Die Freiheit der Forschung ist ein grundgesetzlich geschütztes Gut, das seine Schranken in den Persönlichkeitsrechten anderer oder in der Funktionsfähigkeit der Hochschule findet.“

Nach WZ-Informationen untersuchen Arbeitsrechtler die Dokumentation dieses Gesprächs und Kaisers Verhalten insgesamt. Das möchte der Hochschul-Präsident allerdings nicht kommentieren.

Rückblende: Kaiser, gescheiterte Bundestagskandidatin für die AfD in Schleswig-Holstein, hat in den vergangenen zehn Jahren kaum eine Instanz ausgelassen, um ihre Verbeamtung auf Lebenszeit einzuklagen, die ihr eine Kommission an der Fachhochschule Kiel aus menschlichen und fachlichen Gründen verweigert hatte. Sie ist bis vor den Europäischen Gerichtshof gezogen, hat Politiker aller Couleur angeschrieben, selbst Angela Merkel. Erfolglos. Kaisers Schlussfolgerung: Der deutsche Rechtsstaat ist tot.

Eine Veranstaltung mit diesem Titel deklariert Kaiser im Sommer als Forschungsveranstaltung und bekommt dafür Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Ministerium, für den Zeitpunkt drei Tage vor der Bundestagswahl. Schnell wird jedoch klar: Kaiser will gar keinen Forschungsvortrag halten, sondern einen politischen Forderungskatalog erarbeiten, der den toten Rechtsstaat wieder beatmen soll. Die Hochschule zieht die Genehmigung zurück, Kaiser reagiert mit einer sechsseitigen Pressemitteilung an die Medien, in der sie erklärt, warum der Rechtsstaat tot sein muss, im Fokus steht ihr eigener Fall.

Hans-Hennig von Grünberg, Präsident der Hochschule Niederrhein

Kaiser trennt im Alltag nicht zwischen der Politikerin, der Wissenschaftlerin und der Privatperson. Die Pressemitteilung verschickt sie von ihrem Hochschul-Account, ihr Twitter-Profil vereint rechtspopulistische Propaganda mit privaten Verschwörungstheorien und Werbung für ihre Hochschulveranstaltungen.

Die Hochschule stellt sich im ersten Reflex vor ihre Angestellte, sieht sich dann getäuscht, verteidigt aber das hohe Gut von Forschung und Lehre, während die Öffentlichkeit Konsequenzen fordert. Eine Linie, die von Grünberg auch heute beherzigt, dabei aber relativiert: „Wir haben Frau Kaiser ins Präsidium geladen und das Gespräch dokumentiert.“ Festzuhalten sei, meint von Grünberg, „dass wir alle gelernt haben“.

Die kleine Anfrage der SPD im Landtag zu den Genehmigungsvorgängen der Ursprungsveranstaltung jedenfalls stützt die Darstellung der Hochschule. SPD-Politiker Bell, der sie gestellt hatte, ist trotzdem irritiert: „Bei allen Hürden: Die hierbei entstandene Frage ist ja eine prinzipielle. Wie muss und kann eine Hochschule mit einer solchen Person umgehen?“ Bell schätzt durchaus die Wissenschaftsfreiheit. Dennoch: „Wissenschaft ist ja nicht völlig frei oder steht im luftleeren Raum.“ Wissenschaftsfreiheit sei im Hochschulgesetz so definiert, „dass Forscher der wissenschaftlichen Redlichkeit verpflichtet sein müssen. Ist das Verhalten von Frau Kaiser wissenschaftlich redlich?“.

Dietmar Bell, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion

Bell findet: nein. Die Agitation gegen den Rechtsstaat sei eindeutig und habe offensichtlich eine rechtspopulistische, geschichtsorientierte Grundlage. „Und es gibt ja zweifellos auch an unseren Hochschulen eine Anfälligkeit für Rechtspopulismus. Die Einrichtungen müssen ihre Demokratiefähigkeit schützen.“

Hans-Hennig von Grünberg macht gar keinen Hehl daraus, dass man seitens der Hochschule besser hätte agieren können. „Was mich ärgert, ist, dass wir nicht die beste Idee genommen haben.“ Die Sensibilität der Angelegenheit sei dem Präsidium von Beginn an bewusst gewesen, man habe sich für eine Genehmigung mit konkreten Bedingungen entschieden. „Das war sicher auch nicht die unvernünftigste Variante, noch besser wäre gewesen, wir hätten sie für den Zeitpunkt eine Woche später erteilt. Nach der Wahl.“ Außerdem habe man mit der Absage einen Tag zu lang gewartet. „Wir haben zu langsam reagiert“, sagt von Grünberg und schiebt hinterher. „Mir ist klar, dass das alles in der Außendarstellung zum Teil unglücklich wirkt, aber wir können und möchten nicht alle Details in der Öffentlichkeit ausbreiten.“

Bell hat derweil das Gefühl, dass „das Arbeitsverhältnis zwischen Karin Kaiser und der Hochschule zerrüttet ist“. Weil Kaiser nicht verbeamtet ist, sieht Bell gute Chancen für eine Trennung. „Ich habe mit Arbeitsgerichten die Erfahrung gemacht, dass sie recht lebensnah unterwegs sind.“