Krefeld Unterwegs in Cracau - fast täglich wilde Müllkippen
Rund um Schwert- und Alte Linner Straße ist das Problem mit Abfällen aller Art sehr groß — das hat eine Studie gezeigt. Der Bürgerverein kämpft dagegen an.
Krefeld. Es ist drei Uhr am Nachmittag in Cracau. Die Sonne brennt. Einige Rentner sitzen vor einer der Trinkhallen im Viertel. Im Beet um die Ecke versucht eine Pflanze nicht nur mit der Hitze, sondern auch mit dem um sie herum platt getrampelten Boden und dem Müll, der sich an ihren Wurzeln sammelt, klarzukommen.
Ein paar Kinder spielen Fußball auf dem Bürgersteig vor einem der Mehrfamilienhäuser. Ein Baum spendet ihnen Schatten. In den Bodendeckern am Fuße des Stamms liegen leere Trinkpäckchen, Plastikkaffeebecher, Schoko-Papierchen, andere Lebensmittelverpackungen und ein kaputter Stuhl.
Sitzgelegenheiten, die noch intakt sind, haben sich mehrere Nachbarn vor ihre Haustür gestellt. Die Männer knabbern Sonnenblumenkerne. Schale um Schale landet auf dem Boden. Vor fünf Häusern verteilten sich die Überbleibsel der vergangenen Tage.
Wenn es in seinem Stadtteil wie beschrieben aussieht, ist Manfred Grünwald, Vorsitzender des Bürgervereins Krefeld-Ost, fast noch zufrieden. Vielmehr fällt ihm ein Haufen unter einem Papierkorb an der Seidenstraße ins Auge. Unter dem Behälter, der an einer Laterne hängt, liegt ein zusammengebundener Teppich, daneben ein paar Mülltüten und ein alter Karton. „Das wird nicht so bleiben“, prophezeit er, dass der Haufen über den Tag wachsen wird.
Vor allem im Bereich um den kleinen Kreisverkehr an der Schwertstraße/Dießemer Straße und an der Kreuzung Seidenstraße/Alte Linner Straße tauchen fast täglich wilde Müllkippen auf. Seit einigen Wochen fahren die Trupps der Gesellschaft für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft Krefeld (GSAK) hier noch häufiger ihre Runden und beseitigen Schrott, Sperr- und Hausmüll vom Straßenrand. Grünwald steht in regelmäßigem Kontakt mit den „Entsorgern“ und der Stadt, um das Problem, das kontinuierlich zunimmt, in den Griff zu bekommen.
Das Schlimmste für ihn ist, dass sehr häufig auch Lebensmittelreste wild entsorgt werden. „Heute Morgen erst hat mir eine Ladenbesitzerin von einer Ratte erzählt, die sie gesehen hat“, berichtet Grünwald, der die ungeliebten Vierbeiner auch schon am helllichten Tag über die Straße hat laufen sehen.
Ein Pilotprojekt der GSAK, das die Verschmutzung der Straßenabschnitte dokumentiert und ausgewertet hat (siehe Artikel auf der Seite 15), ist Wasser auf Grünwalds Mühlen. Demnach ist der Ostbezirk der dreckigste Stadtteil Krefelds. Oberbürgermeister Frank Meyer habe ihm nach einem Gespräch kürzlich zugesagt, dass sich alle zuständigen Fachbereiche der Verwaltung, also Ordnungsamt und Umweltamt, mit um das Problem kümmern werden. „Wir sind gemeinsam im Schulterschluss“, formuliert Grünwald seine Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen.
Aber es ist für alle Beteiligten oft Sisyphusarbeit. „Kaum ist ein Haufen abgeholt, bildet sich der Nächste“, sagt Grünwald. Während die Stadt derzeit beispielsweise prüft, wie viele Menschen im Verhältnis zu wie vielen Mülltonnen pro Haus gemeldet sind, hat sich der Bürgerverein auch die Ansprache der Anwohner vorgenommen.
Dass das gar nicht so leicht ist, musste Grünwald erfahren. Derzeit leben viele EU-Bürger aus Bulgarien und Rumänien im Viertel. Die Kommunikation mit ihnen sei schwer. „Kürzlich wollte ich eine Frau loben, weil sie vor der Tür kehrte, aber die hat mich leider nicht verstanden“, sagt der Bürgervereinsvorsitzende, der explizit betont, dass er es „einfach nur schönmachen und nicht draufhauen möchte.“
Deswegen ist sein derzeit wichtigstes Projekt, Menschen zu finden, die für ihn dolmetschen könnten. „Vielleicht wissen einige einfach nicht, wie es hier mit dem Müll läuft, haben gar kein Unrechtsbewusstsein.“ Grünwalds größter Traum wäre diesbezüglich „eine Art Streetworker, ein Sozialarbeiter, aber den kann ja keiner bezahlen.“
Acht Stunden später in Cracau: Die Sonne ist schon untergegangen. Manfred Grünwald hat recht behalten. Die wilde Müllkippe an der Seidenstraße ist gewachsen. Ein alter Stuhl und ein Kühlschrank gehören zum Abfall, der entsprechend gewachsen ist. Mittlerweile nimmt der Haufen fast den ganzen Bürgersteig ein. Fußgänger müssen auf die andere Straßenseite ausweichen — vorbei am ehemaligen Spielplatz, der schon lange nicht mehr betrieben wird. Auch das unter anderem, weil er ständig zugemüllt war.