Vorsitzender bricht die Verhandlung ab
30-Jähriger will das Gerichtsurteil zu drei Jahren und zehn Monaten nicht akzeptieren.
Krefeld. Beim Schöffengericht ging es am Dienstagnachmittag so turbulent zu, dass der Vorsitzende die Urteilsverkündung abbrach und den Angeklagten in Handschellen abführen ließ. Der war kurz zuvor zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und zehn Monaten wegen eines Axtangriffs auf seine Nachbarin verurteilt worden — und damit überhaupt nicht einverstanden. Nach dem ersten Satz des Richters zur Begründung des Urteils rief der 30-Jährige dazwischen. „Jetzt rede ich und sie hören nur zu“, warnte der Richter daraufhin den Angeklagten. Das ließ der sich aber nicht sagen und antwortete stattdessen wutentbrannt: „Jetzt hören Sie mir mal zu.“ Da reichte es dem Richter: „Abführen!“
Der Rest der Urteilsbegründung wurde daraufhin abgebrochen. Damit war der Angeklagte aber noch nicht fertig. Kaum, dass die Wachtmeister aufgesprungen waren, um ihm die Handschellen anzulegen, fuhr er diese an. Erst auf dem Gang beruhigte er sich wieder. Mitansehen musste das alles die Ehefrau des Angeklagten, die ihn von den Bänken im Saal aus unter Tränen vergeblich zur Mäßigung aufforderte.
Das soll sich am 5. August 2015 auf der Marktstraße abgespielt haben: Kurz vor Mitternacht hatte der Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts und der Staatsanwaltschaft die Wohnungstür seiner 27-jährigen Nachbarin eingetreten und war mit mehreren Komplizen in deren Wohnung eingedrungen. Zweimal habe er dann mit einer Axt nach der Frau geschlagen. Dem ersten Schlag konnte sie noch ausweichen. Beim zweiten Schlag hatte die Axt getroffen und ihr den kleinen Finger bis auf einen Hautfetzen abgetrennt und den Ringfinger ausgekugelt.
Das Gericht hatte der Einlassung des Angeklagten keinen Glauben geschenkt, nach der die Frau ihn mit einem Hammer attackiert haben soll. Er habe die Axt nur zur Verteidigung vor sich gehalten und die Frau habe sich quasi selbst die Finger abgeschlagen. „Die Aussage des Angeklagten ist durchgehend davon geprägt, ihn selbst in ein gutes Licht zu rücken“, sagte der Staatsanwalt. Er forderte auch im Hinblick auf die enormen Vorstrafen des Mannes, unter anderem versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung, eine vierjährige Haftstrafe. Das ist die höchste Strafe, die ein Schöffengericht verhängen kann. Wenn absehbar ist, dass es mehr wird, muss das Verfahren ans Landgericht abgegeben werden.
Der Anwalt des Angeklagten hielt die Aussagen seines Mandanten dagegen für glaubwürdig. Er sah in der Verletzung der Frau eine Notwehrhandlung seines Mandanten gegen den von diesem behaupteten Hammerangriff. Daher bliebe am Ende nur der Hausfriedensbruch, den der Angeklagte eingeräumt hatte. Dieser Ansicht folgte das Gericht aber letztlich nicht.