Interview Familienfreundlichkeit für Firmen wichtig

Krefeld · Interview Vorbildliche Unternehmen zeichnet das Netzwerk „Wirtschaft & Familie“ aus. Mehr als 20 haben sich um Preis beworben.

Projektleiterin Kristina Freiwald und Geschäftsführer Eckart Preen registrieren ein wachsendes Interesse an familienfreundlicher Betriebsgestaltung.

Foto: wz/bischof

Alle zwei Jahre verleiht das Krefelder Netzwerk Wirtschaft & Familie die Auszeichnung „Familienfreundlichstes Unternehmen in Krefeld“ an mittelständische und Klein-Unternehmen. Projektleiterin Kristina Freiwald und Eckart Preen, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, erklären im Gespräch, worum es dabei geht.

Frau Freiwald, Herr Preen, das Thema Work-Life-Balance hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Auch in den Krefelder Unternehmen?

Eckart Preen: Vor zehn Jahren waren Veranstaltungen zu dem Thema noch katastrophal schlecht besucht. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Durch den Fachkräftemangel tun sich Unternehmen schwer, Stellen nachzubesetzen. Und die jüngeren Arbeitnehmer gewichten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf höher als früher. Daher wird das Thema in den Personalabteilungen immer wichtiger. Das sieht man auch an der Zahl der Bewerbungen, die wir mittlerweile für unseren Wettbewerb erhalten. Beim ersten Mal mussten wir noch kämpfen, um genügend Unternehmen zu finden. Diesmal hatten wir schon mehr als 20 Bewerber.

Was auch dafür spricht, dass sich der Preis etabliert hat.

Preen: Auf jeden Fall. Unternehmen, die in den Top-Drei gelandet sind, haben dies danach unter anderem auch in Stellenanzeigen erwähnt. Und das Preisgeld von 10 000 Euro war wohl auch ein Anreiz.

Freiwald: Die Unternehmen haben viel mitgenommen aus dem Wettbewerb. Es entstanden Synergien, man hat sich zusammengesetzt und Maßnahmen von einander übernommen.

Wie genau haben Sie sich die Betriebe angeschaut?

Freiwald: In der ersten Runde haben wir einen langen Fragebogen verschickt und diesen ausgewertet. Wir haben aber gemerkt, dass es sinnvoll ist, sich die Betriebe genauer anzuschauen. 2017 und in diesem Jahr haben wir alle Bewerber besucht – zu dritt, in wechselnder Besetzung. Dabei traten dann viele Aspekte zu Tage, die die Unternehmen gar nicht als erwähnenswert erachtet hatten. Einige Unternehmen wussten gar nicht, dass sie bereits in vielen Dingen familienfreundlich handelten. Sie empfanden ihre Handlungsweisen als normal. Leider sind sie das aber nicht immer.

Wie sahen die Kriterien aus?

Freiwald: Sehr vielfältig. Von finanziellen Zuschüssen, über gemeinsame Aktivitäten bis hin zu individuellen Maßnahmen fragen wir alles ab, was zu einer familienbewussten Personalpolitik gehört. Kann man Kinder mit ins Büro nehmen? Gibt es vielleicht sogar ein Eltern-Kind-Büro? Werden Eltern von schulpflichtigen Kindern oder Partner von Lehrern bei der Urlaubsplanung besonders berücksichtigt? Wie sieht es bei Beschäftigten aus, die Angehörige pflegen? Dürfen auch Angehörige in die Kantine oder zu Betriebsfesten? Gibt es Home-Office-Plätze? Die Frage nach Teilzeitmodellen war da schon eher ein alter Hut, beziehungsweise selbstverständlich. Wir haben die Unternehmen sehr individuell betrachtet und auch ihre Kreativität bei der Familienfreundlichkeit honoriert.

Preen: Die Gewerbe sind auch sehr unterschiedlich. Im Vertrieb kann man beispielsweise nicht von zu Hause aus arbeiten. In Unternehmen mit hoher weiblicher Beschäftigungsquote ist man eher gezwungen, kreativ zu werden. In der Pflege zum Beispiel. Da werden Müttern auch Schichten angeboten, die erst um 8 Uhr beginnen oder um 16 Uhr enden.

Was für Unternehmen haben sich beworben?

Freiwald: Unternehmen aus dem Einzelhandel, der Hotellerie, der Pflege und auch aus der Chemie. Wir zeichnen in den Kategorien Mittelstand und Kleinunternehmen aus. Die Bewerber haben diesmal zwischen zehn und rund 420 Mitarbeiter.

Das Netzwerk Wirtschaft und Familie entstand erst nach dem ersten Wettbewerb. Wie kam es dazu?

Freiwald: Wir haben gemerkt, dass es nicht reicht, nur alle zwei Jahre etwas zu machen. Eine Umfrage zeigte, dass sich 70 Prozent der Unternehmen eine lokale Anlaufstelle zum Thema Familienfreundlichkeit wünschten. Wir haben das Ganze vor allem digital umgesetzt, um barrierefrei rund um die Uhr zugängliche Informationen anzubieten. Kinder standen dabei zunächst im Fokus. Aber es wurde schnell deutlich, dass das Thema Pflegende Angehörige auch in die Unternehmen getragen werden muss. Das haben viele Unternehmen noch zu wenig auf dem Schirm.

Preen: Dabei trifft es die Angestellten und Betriebe ja meist von heute auf morgen. Bei einem Kind hat man in der Regel ein paar Monate Vorlauf, um zu planen.

Wie helfen Sie da weiter?

Freiwald: Wir haben in unserem betrieblichen Pflegekoffer Informationen für Arbeitgeber zusammengestellt, die staatliche Angebote und rechtliche Möglichkeiten auflisten. Die Arbeitnehmer informieren wir beispielsweise über lokale Anlaufstellen. Das erspart allen Betroffenen viel Zeit und Recherche.

Preen: Wir bieten jetzt auch ein Seminar an, in dem wir gemeinsam mit dem Bezirksverband Niederrhein der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Betriebliche Pflegelotsen ausbilden, also Beschäftigte, die ihren Kollegen im eigenen Betrieb als Ansprechpartner zum Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zur Verfügung stehen und die eine erste Orientierung geben können.

Wie kann man in kleinen Betrieben mit pflegebedingten Ausfällen umgehen?

Freiwald: In kleinen Unternehmen ist sowas häufig existenzgefährdend, vieles kann zusammenbrechen. Aber die Mitarbeiter denken mehr im Team, versuchen den Ausfall aufzufangen.

Preen: Die Philosophie lautet: Ein Spieler geht vom Platz, also geben die anderen mehr Gas. Auch der Arbeitgeber.

Freiwald: Ein Arbeitgeber hat mir mal gesagt: „Ich muss mich als Chef ins Team einfügen, sonst ist kein Teamgefüge da“. Dieses Teamgefüge ist in Kleinunternehmen noch stärker ausgeprägt als im Mittelstand.