„Regionale Nähe ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann“
Der künftige SWK-Vorstand Carsten Liedtke über den Energiemarkt, die Fusion mit Neuss und die schönen Seiten Krefelds.
Krefeld. Carsten Liedtke wird ab 1. September Nachfolger von Dr. Dieter Steinkamp als Mitglied des SWK-Vorstandes. Noch ist der 38-Jährige Leiter der Unternehmensentwicklung bei RWE Rhein-Ruhr. Das hat bereits zu Spekulationen darüber geführt, dass RWE nun bei den Krefelder Stadtwerken künftig den Ton angibt. Reine Spekulation, sagt der künftige SWK-Mann. Die WZ sprach mit Liedtke über den Energiemarkt, die neue Aufgabe und seine ersten Eindrücke von Krefeld.
Herr Liedtke, Sie sind Leiter der Unternehmensentwicklung bei RWE Rhein Ruhr. Was reizt Sie an einer Tätigkeit bei einem kommunalen Stadtwerk?
Liedtke: Derzeit bin ich in der zweiten, künftig in der ersten Reihe tätig. Und die Krefelder Stadtwerke sind ja auch nicht so klein, verfügen zudem über alle Sparten. Das ist ein unternehmerischer Reiz. Zumal ich die Sparte Verkehr von RWE her nicht kenne. Ich stelle mir vor, dass die andere Dimension reizvoll ist, um Dinge umzusetzen.
Wie schätzen Sie den kommunalen Einfluss ein?
Liedtke: Auch das kenne ich von RWE, die Kommunen halten ja dort auch die Mehrheit, der Konzern ist sehr kommunal geprägt. Der Wechsel an der Konzern-Spitze zeigt diese Handschrift. Auf diese Interessenlage muss man sich einstellen.
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Entscheidung der Krefelder Ratsmehrheit, die RWE-Aktien der Stadt zu verkaufen?
Liedtke: Das muss die Stadt entscheiden, da möchte ich mich nicht einmischen. Man muss sich fragen, welche Interessen man mit den Aktien verfolgt bzw. verfolgt hat. Wenn man sie wegen der Rendite hat, kann man sie jetzt gut verkaufen. Wenn man die kommunale Verankerung von RWE stützen und kommunalen Einfluss nehmen will, ist so ein Engagement in Aktienform klug. Es gibt sogar Kommunen, die den Rückeinstieg überlegen, um wieder mitzubestimmen über Themen wie Kraftwerksstandorte, Energieeffizienz oder Konzessionsabgaben.
Der Ver- und Entsorgungsmarkt ist hart umkämpft. Wie beurteilen Sie allgemein die Zukunft von Stadtwerken?
Liedtke: Der Markt verändert sich durch die Regulierung der Bundesnetzagentur und durch Auflagen für den Vertrieb. Das ist zunächst mal nicht angenehm, setzt die Branche unter Druck. Aber die Stadtwerke haben eine gute Chance, sich am Markt zu positionieren, weil sie ein Pfund haben, mit dem sie wuchern können: die regionale Nähe.
Worin besteht dieser Vorteil?
Liedtke: Man kann ein Stück weit bestimmen, was vor Ort geschieht. Zum Beispiel, was mit dem Geld passiert. Es verbleibt in der Region. Man hat andere Mitsprachemöglichkeiten, kann sich den Anforderungen der Bürger stellen. Das alles sind gute Argumente für Stadtwerke. Vielleicht gibt es sie bald nicht mehr in der großen Zahl. Der Konzentrationsprozess ist richtig und wichtig.
Wo sehen Sie in diesem Spannungsfeld die SWK?
Liedtke: Die Stadtwerke Krefeld sind an vorderster Front unterwegs. Die Fusion mit Neuss ist ein Modellfall, ein wegweisendes Beispiel für andere. Ich hätte den Wechsel nach Krefeld nicht gewollt, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass die beiden zusammen hervorragend positioniert sind.
Dennoch wird dies nicht der letzte Schritt sein. Wohin geht die Entwicklung?
Liedtke: Zunächst muss man die beiden Stadtwerke so zusammenbringen, dass es im operativen Geschäft auch funktioniert. Aber der Konsolidierungsprozess wird da nicht Halt machen. Wir werden weitere Partner suchen. Ich bin ein Freund von Kooperationen in unmittelbarer Nähe. So kann man Synergien an besten nutzen, und die Interessenlagen sind zumeist ähnlich. Wenn es Kommunen gibt, die zustimmen, sollte Krefeld die Gelegenheit nutzen, den Prozess aktiv zu gestalten.
Werden die kommunalen Tochterunternehmen durch die geplante Verschärfung der Gemeindeordnung (Paragraph 107) nicht zur Privatisierung gezwungen?
Liedtke: Ich bin da optimistisch, sehe für die Kommunen weiterhin genügend Betätigungsmöglichkeiten in den Bereichen Energie und Wasser. Anders könnte es im Bereich Entsorgung aussehen. Da muss man mit den Gesetzgebern sicherlich noch über die genaue Auslegung diskutieren.
Welche weiteren Anstrengungen für Einsparungen sind nötig?
Liedtke: Der Kostendruck ist da. Ab und zu muss man sich klar machen, dass über 40 Prozent des Strompreises Staatsanteil sind - über Mehrwert-, Ökosteuer oder Konzessionsabgabe. Es gibt viele Sach- und Prozesskosten, bei denen Verbesserungen möglich sind. Die Regulierung hat neue Strukturen auferlegt, wo wir uns bemühen müssen, das günstig umzusetzen.
Zum Beispiel?
Liedtke: Im Bereich der Abrechnungen müssen wir künftig nach Netz und Betrieb trennen, das heißt, der Kunde bekommt zwei Rechnungen, damit kein Anbieter einen Informationsvorteil hat. Da ist doch die Frage, ob man diese Datenverarbeitung selbst aufbauen muss.
Das bisherige Führungsduo der SWK, Martin Cirener und Dieter Steinkamp, hat sehr eng und spartenübergreifend zusammengearbeitet. Wie geht das weiter?
Liedtke: Zunächst übernehme ich die Ressortverantwortung von Herrn Steinkamp - das sind die Bereiche Verkehr und Entsorgung. Wie das konkret in der täglichen Arbeit aussieht, müssen wir in den nächsten Wochen klären.
Haben Sie schon einen ersten Eindruck von Krefeld gewonnen?
Liedtke: Ein wenig habe ich mich schon umgesehen, zudem hat meine Schwester vor einigen Jahren hier an der Hochschule Design studiert. Ich empfinde Krefeld als angenehme lebenswerte Stadt mit sehr viel Grün und attraktiven Wohngebieten. Die Rennbahn ist eine der schönsten ihrer Art in Deutschland.