Zahl der Kirchen-Austritte steigt an
Viele Protestanten in Krefeld kehren ihrer Kirche den Rücken — im vergangenen Jahr deutlich mehr als in den Vorjahren. Die Bindung schwindet immer stärker.
Krefeld. Der Skandal um den luxuriösen Bischofssitz von Limburg und seinen Bauherrn, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, hat seine Spuren hinterlassen. So irritierend wie es ist, nicht nur in der katholischen Kirche. Im vergangenen Jahr hat es bei den Protestanten deutlich mehr Kirchen-Austritte gegeben als in den Jahren zuvor. Und einer der Gründe ist für den Superintendenten des evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen, Burkhard Kamphausen, ganz klar: der katholische Geistliche, dessen Baustil das Jugendwort „tebartzen“ für „sich etwas Teures leisten“ hervorbrachte.
„Das Austrittsverhalten beziehungsweise die Austrittsbereitschaft ist ein ganz sensibles Thema. Und auch solche Geschehnisse wie um den katholischen Bischof können das innerhalb der evangelischen Kirche auslösen“, so Kamphausen. Im vergangenen Jahr traten im evangelischen Gemeindeverband Krefeld plus Hüls und Uerdingen 470 Männer und Frauen aus der Kirche aus. Das sind fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr 2013 (siehe Kasten).
Ein Trend, der sich auch landesweit erkennen lässt. Die Landeskirche hat zwar noch keine endgültigen Zahlen. „Aufgrund der bisher vorliegenden Daten müssen wir aber leider davon ausgehen, dass die Zahl für 2014 um rund 50 Prozent höher ausfallen wird als im Vorjahr“, bilanziert Jens Peter Iven, Pressesprecher der evangelischen Kirche im Rheinland.
Iven geht auf Landesebene, Kamphausen auf lokaler Ebene davon aus, dass im vergangenen Jahr ein weiterer wichtiger Auslöser für die Abkehr von der Kirche ein verändertes Verfahren im Zusammenhang mit der Kapitalertragssteuer gewesen ist. Von ihren Geldinstituten wurden Bankkunden über die neue Vorgehensweise informiert, bei der die fälligen Beträge direkt von den Banken abgeführt wurden. „Es war keine neue Steuer, nichts Neues, war immer Teil der Steuererklärung. Aber plötzlich traten auch Menschen aus, die gar keine Kapitalertragssteuer zahlen“, berichtet Kamphausen.
Ein Phänomen, das auch in der katholischen Kirche zu beobachten ist, wie der Pressesprecher des Bistums Aachen, Stefan Wieland, berichtet. Auch bei den Katholiken dürften die Zahlen zurückgegangen sein. Sie liegen aber laut Wieland erst im Sommer vor. Was die Hintergründe angeht, sagt er: „Es gibt immer äußere Umstände, also auch die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche und den Fall Limburg.“ Aber insgesamt — das könne man allerdings auch nur vermuten, da die Gründe beim Austritt nicht genannt werden müssten — stimme „die Beziehung zwischen den Menschen, der Kirche und dem Glauben nicht“.
Auch Kamphausen sieht diese allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen: „Die Selbstverständlichkeit, mit der Menschen zur Kirche dazugehören, ist nicht mehr so hoch. Die Bindungsintensität ist zurückgegangen.“