Zeitarbeit: Notlösung oder eine Chance zur Festanstellung?
Der Niedriglohnsektor boomt. Gegner sprechen von sozialem Ungleichgewicht. Befürworter sehen Möglichkeit, einen festen Job zu erhalten.
Krefeld. Die Leiharbeit und Dumping-Löhne, die nicht zum Leben ausreichen, bieten jede Menge sozialen Sprengstoff. Das machten die Experten im TV-Polit-Talk von Maybritt Illner deutlich und diese Meinung vertritt auch DGB-Kreisvorsitzender Ralf Köpke
In Deutschland arbeitet von 38 Millionen Beschäftigten inzwischen jeder Fünfte im Niedriglohnbereich. Von den rund acht Millionen Menschen müssen 1,2Millionen vom Staat zusätzlich subventioniert werden. Überraschend dabei ist, dass 80Prozent eine Ausbildung haben, sieben Prozent davon sogar einen Studienabschluss.
Die weit verbreitete Meinung, dass es sich bei Leiharbeitern hauptsächlich um ungelernte Kräfte handelt, ist also falsch. Ebenso unkorrekt ist die einseitige Aussage, dass der derzeitige Wirtschaftsaufschwung allein durch Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung und Niedriglöhne zustande kommt.
Zwar nimmt die Leiharbeit zu, aber am Boom sind vor allem exportorientierte Branchen beteiligt, die aufgrund von Tarifvereinbarungen weitgehend ohne Niedriglöhne auskommen, zum Beispiel der Maschinen- und Anlagenbau, die Chemie und die Automobil- und Elektroindustrie.
Dass zurzeit verstärkt Leiharbeiter eingestellt werden, gilt auch für Krefeld und die Region. Im Juni suchten Betriebe im Bezirk der Agentur für Arbeit für jede dritte Stelle einen Leiharbeiter. Damit haben sich die Jobangebote von Leiharbeitsfirmen seit Jahresanfang mehr als verdoppelt, während die Zahl der übrigen Stellen lediglich um knapp 40Prozent zulegte.
"Heuern und Feuern ist bei den Verleihern leider noch immer an der Tagesordnung und das Risiko der Arbeitslosigkeit in keiner anderen Branche größer", sagt Köpke.
Angesichts des Aufschwungs appelliert Köpke an die Unternehmen der Region, ihre Stammbelegschaft auszubauen. Das sei auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die immer größere Lücke an Fachkräften anzuraten. Zumal geringere Sorgen um den Arbeitsplatz dazu führten, sich mit den Betriebszielen stärker zu identifizieren.
Seine Forderung: Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Während in Deutschland die Leihkräfte zum Teil über 40 Prozent weniger Geld verdienten als die Stammbelegschaft, erhielten sie in einigen europäischen Nachbarländern mitunter sogar Zuschläge als Ausgleich für Unsicherheit und Flexibilität.
Eine Absage erteilt Köpke der Strategie vieler Unternehmen, Stammarbeitsplätze durch Leiharbeit zu ersetzen. Er fordert ein Umdenken der Arbeitgeber und Gesetzesänderungen, weil die oft genannten Vorteile der Leiharbeit nicht zutreffen.
So ende die Leiharbeit in den meisten Fällen für die Beschäftigten nicht mit der Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis. Lediglich sieben Prozent lassen nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die Leiharbeit komplett hinter sich.