Zoff bei Gleumes: Was dürfen Alte Weiber?

Marita Vogel wurde als Möhne in dem Brauhaus abgewiesen. Das wirft die Frage auf: Gelten die Bräuche von früher noch?

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Einen Tag im Jahr sollen die Alten Weiber es richtig gut haben: So will es ein Brauch, der in Krefeld seit Jahrzehnten Tradition hat. Möhnen werden an Altweiber zuvorkommend behandelt. In den Lokalitäten gewährt man ihnen schnell und kostenlos Zutritt, vielerorts ist ein Freigetränk üblich. Sogar mit Bus und Straßenbahn fahren die Alten Weiber an diesem Tag kostenlos.

Das Vertrauen in diese Tradition ist bei Marita Vogel nun schwer erschüttert. Seit mehr als 50 Jahren feiert sie in Krefeld Karneval: „Aber so etwas ist mir noch nicht passiert.“ Wie schon seit Jahrzehnten wollte sie am Donnerstag als Möhne im Brauhaus Gleumes mit ihrer Familie feiern.

Doch diesmal sei sie von Türstehern harsch abgewiesen worden. Die muskulösen Herren bestanden darauf, dass Marita Vogel zehn Euro Mindestverzehr zahlen müsse. All ihre Verweise auf die Krefelder Möhnen-Tradition blieben erfolglos. „Ich wurde grob angefasst und zur Seite geschoben“, erzählt Marita Vogel und zeigt eine Schürfwunde an ihrem Handgelenk.

Der Betreiber des Gleumes, die C.H.A. Gastro GmbH mit Sitz in Pulheim, weist die Vorwürfe zurück. Zwar sei die Security extern engagiert worden: „Doch es war die ganze Zeit einer unserer Mitarbeiter dabei, der alles im Auge hatte“, sagt Beate Greuel, Büroleiterin der Holding Gastro Management Köln GmBH. „Jeder Tumult wäre aufgefallen.“ Allerdings sei klar: „Wenn jemand auf dem Standpunkt steht ,An Karneval darf ich alles!’, kann er schon mal Probleme kriegen.“

Auch die Tradition der Vorrechte Alter Weiber lasse sich mitnichten einklagen. Im Gleumes gilt sie jedenfalls nicht: „Bei uns muss jeder die zehn Euro Mindestverzehr zahlen. Freibier wird nicht ausgeschenkt.“

Alt eingesessene Krefelder Wirte sehen diesen Umgang mit dem Altweiber-Brauch kritisch. „Die Gastro-Konzerne handhaben das anders“, sagt Klaus Rudolph, der unter anderem die Gastronomie im Seidenweberhaus und im Herbst Pitt geführt hat. „Aber wir sollten es nicht so weit kommen lassen, dass sich diese Tradition erledigt.“ Zwar habe es immer schon Leute gegeben, die „Klimmzüge machen, um etwas umsonst zu bekommen“. Doch die wahren Alten Weiber, die teils mit einem Erbstück der Großmutter als Maske herumlaufen, gehören zum Karneval: „Es wäre traurig, wenn das verschwindet.“

Ähnlich sieht das Klaus-Jürgen Wiewrodt vom Dachsbau: „Für die Konzerne ist das Schnee von gestern. Die interessiert das nicht. Doch wenn wir solche Traditionen missachten, können wir Karneval gleich ganz vergessen.“ Wiewrodt ist stolz, an Altweiber die Wahl zur „Miss Anno Dazumal“ zu veranstalten, die früher im Gleumes stattfand. Die schönste Möhne erhält dabei so viele Liter Bier, wie sie zusammen mit ihrem Partner in Kilogramm auf die Waage bringt.