Brottüten gegen häusliche Gewalt
Die Verpackungen tragen die Aufschrift „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ und sind mit Notrufnummern versehen.
Erkrath. Jährlich flüchten in Deutschland etwa 40 000 Frauen und ihre Kinder vor der Gewalt des Lebenspartners in ein Frauenhaus. Jede vierte Frau in Deutschland hat schon mindestens einmal Gewalt durch den Partner erlebt. Im Kreis Mettmann fanden dieses Jahr 29 Frauen mit 26 Kindern im Frauen- und Kinderschutzhaus des Sozialdienstes Katholischer Frauen und Männer (SKFM) Zuflucht. 2014 wurden im Kreis Mettmann 631 Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt erstattet — ein Anstieg von 97 Anzeigen (18,2 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Und mit bisher über 500 gemeldeten Fällen ist auch in diesem Jahr ein weiterer Anstieg zu verzeichnen.
„Die Fallzahlen steigen weiter“, weiß Annegret Pollmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath: „Die Öffentlichkeitsarbeit ist besser geworden, Ärzte sind besser aufgeklärt und immer mehr Frauen nehmen Hilfe in Anspruch.“ Dennoch sind die zur Anzeige gebrachten Fälle häuslicher Gewalt nur die Spitze des Eisbergs.
Die Dunkelziffer wird deutlich höher liegen, ist sich auch Bürgermeister Christoph Schultz sicher, der die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte!“ gerne unterstützt. Mit der Brötchentüten-Aktion machen die Gleichstellungsbeauftragten der Städte Mettmann und Erkrath gemeinsam mit dem SKFM und örtlichen Bäckereien wie schon in den Vorjahren zum internationalen Gedenktag „Nein zu Gewalt an Frauen und Mädchen“ am 25. November auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam. „Jeder einzelne Fall ist einer zu viel“, so Schultz.
Rita Rüttger, Bereichsleiterin beim SKFM
Kreisweit werden 60 000 Tüten, bedruckt mit dem Slogan „Gewalt kommt nicht in die Tüte!“ und den wichtigsten Notruf- und Beratungsnummern, verteilt werden, allein in Erkrath sind es 6000.
Neben den Bäckereien Terbuyken, Evertzberg, Pass, Busch sowie Moni’s Backstube wird auch die Erkrather Tafel in der kommenden Woche Brötchen in die „gewaltfreien“ Tüten packen. „Die Tüten sind in diesem Jahr überarbeitet worden“, erklärt Annegret Pollmann: „Wir waren der Auffassung, dass der internationale Gedenktag auch international wahrgenommen werden muss.“ Daher wurden die aufgedruckten Informationen jetzt in sieben Sprachen (Englisch, Französisch, Türkisch, Russisch, Polnisch, Spanisch und Arabisch) übersetzt.
Zudem wurde die Liste der Notrufnummern auf die wichtigsten (unter anderem das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Polizei, Frauenhaus und die Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt) reduziert und dafür auf die Seitenpfalz zusätzlich ein QR-Code zur Internetseite von „Gewaltlos“ aufgedruckt.
Die Website gewaltlos.de bietet Frauen die Möglichkeit, sich anonym mit anderen Betroffenen auszutauschen und sich beraten zu lassen. „Die meisten Frauen teilen ihre Gewalterfahrungen niemandem mit, weil sie das Gefühl haben ,Das passiert nur mir. Ich mache irgendwas falsch’“, weiß Rita Rüttger, Bereichsleiterin beim SKFM: „In dem Online-Forum sehen sie, dass auch andere Frauen das gleiche Problem haben.“
www.gewaltlos.de