Gesamtschule: Elternwunsch interessiert nicht
Die Mutter Claudia Haßelkuß wünscht sich eine Gesamtschule. Die politische Mehrheit will den Bedarf aber nicht abfragen.
Erkrath. Claudia Haßelkuß würde ihren Sohn gerne auf eine Gesamtschule schicken. Noch geht das Grundschulkind in die dritte Klasse, aber die Gedanken über die weiterführenden Schulen beschäftigen die Erkratherin schon länger.
„Auf einer Gesamtschule hat ein Kind weniger Druck als auf einem Gymnasium mit G8“, sagt sie. „Schulzeitverkürzung bedeutet ein heftiges Programm. Auch meine Nichte quält sich auf einem Gymnasium und wäre gerne auf einer Gesamtschule.“
Aus ihrem Arbeitsort Solingen kennt sie eine gut laufende Gesamtschule: „Die lehnen jedes Jahr 180 Kinder ab.“ In Langenfeld ist bereits die zweite Schule dieser Art geplant. „Ich habe mir die Busverbindungen angeschaut — keine Chance“, sagt Haßelkuß, „45 Minuten für eine Strecke.“
In Erkrath wird es zumindest in diesem Jahr keine Gesamtschule geben: „Das ist im Moment kein Thema“, sagt Ulrich Schwab-Bachmann, Leiter des Amtes für Schule, Kultur und Sport. Zudem sei eine Gesamtschule für Erkrath aufgrund der Dreiteilung der Stadt eine komplizierte Sache: „Wohin damit? Welches Gebäude nimmt man?“
Außerdem habe eine Gesamtschule weitreichende Folgen für alle bestehenden weiterführenden Schulen. Auch Ria Buchholz, Schulpflegschaftsvorsitzende der Carl-Fuhlrott-Hauptschule, sieht aktuell keinen Bedarf: „Die Schule läuft gut, ich wüsste nicht, dass eine Gesamtschule für die Eltern ein Thema wäre.“
Damit hat sie die Mehrheit der Politik auf ihrer Seite. „Es gibt ein vielfältiges Angebot an Schulen. Die müssen nicht alle in Erkrath vorgehalten werden. Der Zugang zu Gesamtschulen, zum Beispiel in Düsseldorf, ist gegeben“, sagt Wolfgang Jöbges, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Die Gesamtschule ist unserer Meinung nach nicht die richtige Bildungsform.“
Laut Schulentwicklungsplan hätte eine Gesamtschule nur eine Chance, wenn eine oder mehrere Haupt- und Realschulen geschlossen würden — dazu ist die CDU laut Jöbges nicht bereit. „Wenn genug Kinder da sind, können wir über alles reden. Ich sehe jedoch weder Bedarf noch entsprechende Zahlen“, sagt auch Inge Berkenbusch (FDP).
So wurde der Antrag der SPD, den Bedarf an einer Gesamt- oder Sekundarschule bei den Eltern abzufragen, zweimal abgelehnt. Einen „Grabenkampf“ nennt SPD-Fraktionsvorsitzender Detlef Ehlert die Situation. „Laut Schulentwicklungsplan gibt es keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, aber die Anmeldezahlen zum Beispiel der Carl-Fuhlrott-Schule reichen gerade zum Überleben. Man muss den Eltern zumindest die Möglichkeit geben zu sagen, was sie wollen.“
Laut Grünen-Fraktionsvorsitzendem Reinhard Knitsch scheitert eine Befragung bislang an der Ansicht, das vorhandene Schulsystem sei gut: „Je nach Ergebnis müsste man ja reagieren.“
Möglichkeiten für Eltern sind laut Ordnungsamtsleiter Jochen Worbs ein Bürgerantrag, ein Einwohnerantrag oder ein Bürgerbegehren.