Graffiti-Sprayer sprühen ohne Angst vor der Polizei
Zwölf junge Leute verschönern bis Ende des Monats hässliche Trafos mit Graffiti — ganz offiziell.
Erkrath. „Ohne Buchstaben kein Graffiti.“ So erklärt Jonas Bullinger die Kunst mit der Spraydose. Der 17-Jährige hat am Samstag die Trafostation der Stadtwerke an der Beckhauser Straße, gegenüber der Hochdahl-Arcaden, verschönert. „Ich mache ein klassisches Graffiti, denn mit Buchstaben hat alles angefangen“, erzählte der Schüler aus Hilden und fügte schmunzelnd hinzu: „Das ist ja hier schließlich kein Malwettbewerb.“ Um 10 Uhr bezog er mit einer Sporttasche voller Dosen seinen Posten. Drei Stunden später war schon deutlich zu erkennen, was ihm zum vorgegebenen Thema „Erneuerbare Energie“ eingefallen ist.
Beim Schriftzug „Erkrath“ sieht jeder Buchstabe anders aus, mal aus einem Windrad geformt, mal wie aus Stein gemeißelt; auch Feuer und Wind kommen vor. „Nach dem Unglück in Fukushima habe ich mich natürlich mit Atomkraft beschäftigt. Wir sollten schon darauf achten, dass unsere Erde nicht kaputt geht“, erzählte Bullinger.
Insgesamt zwölf der 300 Trafostationen der Erkrather Stadtwerke werden bis Ende des Monats von Graffiti-Sprühern gestaltet. Die Idee zu dem ersten Wettbewerb dieser Art hatte Wolfgang Sendermann, Vorsitzender des Förderkreises „Kunst und Kulturraum Erkrath“. 21 Sprayer hatten sich beworben.
„Die zwölf ausgewählten Teilnehmer haben sich sehr unterschiedlich mit dem Thema erneuerbare Energien befasst“, sagte Sendermann.
Zu den Motiven gehören moderne Windkrafträder und alte Windmühlen, Sonnenblumen und Frösche. Den Kasten für Jonas Bullinger hatte Sendermann einige Tage zuvor gereinigt: „Diese Trafostation sah besonders schlimm aus — beschmiert und mit Plakaten beklebt.“
Viele Sprayer wollten nicht in die Öffentlichkeit, weil sie auch illegal sprayen und Angst haben, erkannt zu werden, verriet Jonas Bullinger. Er selbst habe schon in Hamburg und Berlin gearbeitet, „aber es gibt immer noch zu wenig freie Flächen, auf denen man sprühen darf“.
Das Gefühl, sich stets für diese Art der Kreativität rechtfertigen zu müssen, kennt der 17-Jährige. Auch am Samstag dauerte es nicht lange, bis Passanten fragten, was er mit den Dosen an der Trafostation treibe. „An einer anderen Station war zweimal die Polizei da“, erzählte Wolfgang Sendermann, „aber die wissen Bescheid über den Wettbewerb.“
Manuel Wegmann und sein Sohn blieben interessiert stehen. Luis (9) war fasziniert: „Das sieht so akkurat aus — hier bei den Buchstaben, die genauen Linien, die hellen und dunklen Flächen.“ Doch nicht allein zum Schauen waren Vater und Sohn gekommen. Manuel Wegmann machte dem Sprayer ein Angebot: „Wir haben ein Garagentor, dass Sie verschönern könnten.“ Flugs wurden Mail-Adressen getauscht — dann machte sich Jonas Bullinger wieder an die Arbeit.