Hilden Gelebte Inklusion in historischem Ambiente

Hilden. · Der Awo-Bezirksverband hat die ehemalige Gravur-Anstalt aus dem 19. Jahrhundert gekauft. Jetzt ist der Umbau der Fabrik für mehrere Millionen Euro fertig.

Architekt Christof Gemeiner und Hausherr Werner Eike (l.) spiegeln sich im Fenster der alten Fabrik. Soweit möglich, ist das Fenstergitter und das Glas beim Umbau im Original erhalten geblieben.

Foto: Christoph Schmidt

Werner Eike leitet den Wohnverbund der Arbeiterwohlfahrt mit Sitz im Fritz-von-Gehlen-Haus. Vor drei Jahren entwickelte er einen kühnen Plan. Er hatte eine alte Fabrik an der Walder Straße 24 entdeckt. Mit perfekten Bedingungen für ein Inklusionsprojekt für Menschen mit und ohne Behinderung. Eike schaffte, was damals kaum jemand für möglich hielt.

Er stellte mit Unterstützung der Stiftungen Wohlfahrtspflege und Aktion Mensch eine Finanzierung auf die Beine, kaufte die Immobilie und ließ sie von Architekt Christof Gemeiner aus Hilden sanieren. Jetzt ist der Umbau fertig. Nutzer und Mitarbeiter sind vom historischen Ambiente begeistert. Und viele Hildener offenbar auch. Mit der „Fabrik“ hat die Awo der Kommune ein Stück Stadtgeschichte gerettet. Beim Denkmaltag am 8. September wird die alte Fabrik zu besichtigen sein.

Die Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Niederrhein hat die ehemalige Gravur-Anstalt mit Hilfe der Stiftungen Wohlfahrtspflege und Aktion Sorgenkind gekauft und von Architekt Christof Gemeiner sanieren lassen.

Foto: Christoph Schmidt

Dort fasst die Arbeiterwohlfahrt ihre Angebote für psychisch kranke Menschen zusammen. Die Awo betreibt in Hilden bereits ein Wohnheim für chronisch psychisch Kranke mit 21 Plätzen (Fritz-von-Gehlen-Haus). Im Erdgeschoss der Fabrik ist ein Arbeitsangebot und ein Café entstanden, im Obergeschoss drei Appartements sowie Büros. „Viele Hildener schauen vorbei und freuen sich, dass das Haus wieder belebt ist“, berichtet Carina Orb, Leiterin der Tageseinrichtung: „Mitarbeiter und Klienten fühlen sich hier richtig wohl.“

Corinna Orb (l.), Leiter der Tageseinrichtung, mit Mitarbeiterin Janny Graap im Arbeitsraum, der noch etwas Industrieatmosphäre ausstrahlt.

Foto: Christoph Schmidt

Architekt Christof Gemeiner hat schon mehrfach historische Gebäude wiederbelebt, etwa das Bahnhofsgebäude Hilden oder Gottschalksmühle und dafür Preise bekommen. Er hat Altes (wie original Glasscheiben oder Fenstergitter) und Neues (offene, moderne Versorgungsleitungen unter der Decke oder eine Treppe aus Baustahl) miteinander kombiniert und in eine spannende Beziehung gesetzt. Große Fotos an der Wand im Café (das zeitweise öffentlich zugänglich ist) erinnern an die Vergangenheit der alten Fabrik von 1852. „Dort war früher eine Gravur-Anstalt untergebracht, die Walzen für das Bedrucken von Modestoffen hergestellt hat - ein hoch spezialisierter Betrieb“, hat Gemeiner recherchiert: „Die Mitarbeiter durften im Obergeschoss wohnen. So wollte man sie an den Betrieb binden.“ Die Geschäfte liefen so gut, dass um 1900 nebenan eine Villa für die Inhaber errichtet wurde. Dieses Gebäude hat Christof Gemeiner gekauft, renoviert und dort sein Architektur-Büro untergebracht. Die Ziegelfassade der alten Fabrik war in gutem Zustand: „Da sieht man, wie gut Klinker altern können.“

Architekt Christof Gemeiner (l.) mit Hausherr Werner Eike (r.), Leiter des Wohnverbundes der Awo Bezirksverband Niederrhein, im Café.

Foto: Christoph Schmidt

Der Umbau verbindet Altes gekonnt mit neuen Elementen

Die alte Fabrik ist kein Denkmal, steht aber in einem Denkmalbereich. Deshalb müssen alle Maßnahmen am äußeren Gebäude mit der Unteren Denkmalbehörde abgestimmt werden. „Die Zusammenarbeit ist gut“, lobt der Architekt. Er hat versucht, so viel Altes wie möglich zu erhalten: „Die Zeitspuren haben ihren ganz eigenen Reiz.“ In der Hauswand findet sich beispielsweise noch eine Halterung für Oberleitung der Straßenbahn, die einst über die Walder Straße nach Ohligs fuhr. Auch zugemauerte Fenster hat Christof Gemeiner so gelassen, wie er sie vorgefunden hat: „Das Unfertige der Fassade ist doch das Reizvolle.“ Die Alte Fabrik und die Villa bilden jetzt wieder eine architektonische Einheit. „Ein Stück wichtige Stadtreparatur, das auch auf die anderes Straßenseite ausstrahlt“, findet der Architekt.