Eisenbahn blieb ein Traum
Das Haaner Urgestein Wilfried Pohler erinnert sich gerne an die Weihnachtsfeiern in seiner Kindheit.
Haan. Weihnachten in einer katholischen Familie in Haan? Da gehörte schon vor 50 Jahren der Gang zur Christmette dazu. „Früher ging es an Weihnachten grundsätzlich in die Kirche“, erinnert sich Wilfried Pohler. Der 62-Jährige ist in Haan geboren und aufgewachsen. Wenn er an die Weihnachtsfeste in seiner Kindheit zurückdenkt, muss er doch schmunzeln. Denn die Christmette am ersten Weihnachtsfest — damals fanden das eigentliche Fest und die Bescherung am 25. Dezember statt — begann morgens um 4 Uhr in der Früh. Damals war halt vieles anders.
Und weil Wilfried Pohler mit seinen damals acht Jahren Messdiener war, musste er sich vor seinen Eltern und seinen Geschwistern vom Sandbach in Unterhaan zur katholischen Kirche im Stadtzentrum auf den Weg machen. „Ich bin um 3 Uhr losgegangen, weil wir Messdiener um 3.30 Uhr da sein mussten“, erinnert er sich. „Damals gab es drei Messen hintereinander.“ Erst die Mette, dann das sogenannte Hirtenamt und schließlich die Gemeindemesse. Da waren die Stunden zwischen 4 und 6 Uhr schon einmal ausgefüllt. „Aber dann gab es immer noch keine Geschenke“, erinnert sich Pohler. Stattdessen wurde erst einmal mit der Familie gefrühstückt. Schließlich durfte die Kommunion in den 1950er-Jahren nur auf nüchternem Magen empfangen werden. „Da bestand durchaus die Gefahr, dass bei dem vielen Weihrauch der eine oder andere in der Kirche umkippte“, sagt Pohler.
Und während die Familie im Esszimmer das Frühstück zu sich nahm, war der Zutritt zum Wohnzimmer, der guten Stube, in der die Familie nur an Feiertagen saß, natürlich nicht erlaubt. Der Baum war mit Lametta und weißen Wachskerzen geschmückt, die Krippe war aufgebaut. Doch bevor sich die Kinder den Geschenken widmen durften, „wurde natürlich noch gesungen“, sagt Pohler. Und seine Schwester Ursula erinnert sich: „Und mindestens die ersten beiden Strophen.“
Und dann war es endlich soweit. Es gab die Geschenke. „Wir Kinder haben natürlich immer gehofft, dass wir das bekommen, was wir uns gewünscht haben“, sagt Pohler und lacht. Daran hat sich ja bis heute nichts geändert. Nur dass in seiner Kindheit schon beim Auspacken der ersten verpackten Überraschungen die Stimmung bereits leicht nach unten ging. Statt der von ihm heiß begehrten Eisenbahn gab es Kleidung, Brettspiele und immer einen süßen Teller.
Dabei hatte Wilfried Pohler alles versucht, um seine Eltern von der damals 80 Mark teuren Anschaffung zu überzeugen. „Ich konnte nicht verstehen, dass sie die nur 80 Mark nicht für mich ausgeben wollten.“ Er hatte Zeitungsanzeigen ausgeschnitten, in denen für den Verkauf von Eisenbahnen geworben wurde. Vergeblich. Erst als er seinem heute 34 Jahre alten Sohn Boris eine Eisenbahn schenkte, kam er in den Genuss, damit zu spielen. „Mein Sohn hat sich gar nicht dafür interessiert.“
Und den süßen Teller mussten Wilfried Pohler und seine Schwestern Ursula und Marie-Luise auch noch teilen. „Das war damals eben so“, sagt er und erinnert sich an die Besuche im Vincenz-Haus, das zum Krankenhaus auf der Kaiserstraße (heute Landesfinanzschule) gehörte und in dem ältere und behinderte Menschen auf einer Art Pflegestation untergebracht waren. Ihnen brachten die Geschwister Pohler einen Teil ihrer Süßigkeiten. „Das wenige, was man hatte, wurde eben noch geteilt.“ Und dass er die Eisenbahn nie bekommen hat, kann er heute auch verstehen. „Meine Eltern hatten gerade gebaut. Da hatten sie kein Geld, um jedem von uns noch einmal so teure Geschenke zu machen.“
Ursula Pohlers schönstes Geschenk war eine Schildkröt-Puppe. „Die hat uns damals eine Tante geschenkt“, erinnert sie sich. „Meine Schwester bekam ein Mädchen und ich einen Jungen mit einer braunen Hose und einem gelben Pulli.“ Die Puppe hat sie noch heute.
Dass sein Vater den Tannenbaum meistens erst am Heiligen Abend kaufte, daran kann sich Pohler auch noch erinnern. „Er ging morgens noch in die Stadt, um Geschenke zu besorgen“, sagt Pohler. Meistens brachte er dann auch noch geräucherten Aal für seine Frau mit. „Wir Kinder mochten Aal gar nicht so gerne, aber damals war das etwas Besonderes.“ Und auf dem Rückweg kaufte der Vater in dem Geschäft, das zu dieser Zeit gegenüber der Bachstraße Lebensmittel, Kohle und Kartoffeln verkaufte, den Baum. „Meistens kam er mit einem etwas entwicklungsbedürftigen Bäumchen nach Hause“, sagt Pohler und lächelt wieder bei der Erinnerung, wie sein Vater mit Hilfe eines Holzbohrers Löcher für zusätzliche Äste in den Stamm des Baumes gebohrt hatte. „Dann sah der Baum ganz prächtig aus.“