Betroffener aus Hilden über Cannabis „Irgendwann dreht sich alles nur noch um die Sucht“

Hilden · Wahrscheinlich wird die Welt nicht davon untergehen, dass Cannabis legalisiert wurde. Doch verharmlosend an das Thema heranzugehen, ist keine gute Lösung. Denn das große Risiko beim Cannabiskonsum lauert im Kopf, erklärt ein Hildener Erfahrungsexperte.

Dass bei Cannabis kein Suchtpotenzial bestehe, ist laut dem Erfahrungexperten ein Trugschluß.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Besonders in der Generation derer, die in den 90er und 2000er Jahren mit Künstlern wie Snoop Dog und Filmen wie Pineapple Express aufgewachsen sind, gibt es einige, die überzeugt sind, dass Cannabis ja „eh keine richtige Droge“ sei. Diese Meinung wird auch von vielen vertreten, die selber gerne immer mal wieder zur Tüte greifen: Alkohol sei ja viel gesundheitsschädlicher (was aus wissenschaftlicher Sicht auch stimmt) und an Cannabis sei schließlich noch niemand gestorben.

Für genau diese Menschen kommt die Aussage “Natürlich kann Cannabis abhängig machen“ einer Provokation gleich. Doch sie kommt nicht von einem panischen Elternteil oder Polizisten, sondern von einer Person, die es wissen muss: einem Mitglied des Hildener Kreuzbundes, der sich selbst als abstinent lebenden Suchterkrankten beschreibt und der über die Jahre hinweg die Auswirkungen von verschiedenen Drogen am eigenen Leib erfahren hat. Er besteht darauf: “Natürlich kann Cannabis abhängig machen. Alle bewusstseinsverändernden Substanzen – und zu denen gehört Cannabis – haben Suchtpotenzial.“

Dank des regelmäßigen Austausches mit anderen Betroffenen bei den Kreuzbund-Treffen kennt er sich bestens mit verschiedenen Spielarten der Erkrankung aus und weiß: Die Substanz ist eigentlich egal, Abhängigkeit ist Abhängigkeit und die hat seiner Ansicht nach immer ähnliche Folgen. „Bei einer Suchterkrankung kann man oft einen körperlichen Verfall beobachten. Beim Kiffen ist es zum Beispiel dann der Schaden an der Lunge durchs Rauchen. Man verändert sich aber auch vom Wesen her“, erklärt der Erfahrungsexperte. Doch wichtiger noch als die körperlichen Probleme sind die psychischen Veränderungen: „Irgendwann dreht sich alles nur noch um die Sucht.“ Auch wenn die Primärdroge Cannabis sei, drehe sich das Leben von Betroffenen um die Frage nach der nächsten Konsumgelegenheit.

Suchterkrankungen
häufig unterschätzt

Das Problem ist seiner Ansicht nach auch, dass Suchterkrankungen von Nicht-Betroffenen komplett unterschätzt würden: „Man kriegt so Sprüche wie ‚Hör doch einfach auf‘ oder ‚Warum lässt du es nicht einfach sein?‘“ Doch so einfach ist das für Betroffene nicht. Denn genauso wie Menschen mit Depressionen auch nicht einfach aufhören können, depressiv zu sein, können Menschen, die mit einer Suchterkrankung leben auch nicht einfach aufhören, von ihrer Substanz abhängig zu sein. Dieses mangelnde Verständnis zeige sich auch am gesellschaftlichen Umgang mit bereits legalisierten Drogen: „Gehen wir mal zur Tanke oder zum Supermarkt. An jeder Kasse werden da Alkohol und Zigaretten angeboten.“ Auch diese können nachweislich abhängig machen – wenn man denn zur Risikogruppe gehört. Und dadurch, dass Nicht-Betroffene diesen Faktor so sehr unterschätzen und viel mehr auf die körperlichen Symptome schauen, kann leicht der Eindruck entstehen, dass Cannabis in dem Punkt gar nicht so schlimm sei. Doch: „Es ist immer die gleiche Erkrankung, egal durch welche Droge sie sich zeigt.“

Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass das Suchtpotenzial von Cannabis so sehr unterschätzt würde, sieht er die Legalisierung sehr kritisch. „Ich finde die Gesetzesänderung nicht so gut. Was da versucht wird, ist, auf die Kriminalitätsentwicklung einzuwirken. Klar: Man darf es jetzt legal anbauen und man muss auch nicht mehr rüber nach Holland fahren.“ Aber es würden noch einige Regularien fehlen. „Ich bau doch auch nicht den 17. Stock eines Hochhauses, bevor die Tiefgarage stabil gebaut ist.“ Wichtig ist ihm, noch Folgendes zu betonen: „Wenn jemand der Meinung ist, dass er ein Problem mit Drogen hat – egal welche – dann soll er sich an eine Selbsthilfegruppe wenden. Wenn man davon wegkommen will, ist es wichtig, sich Hilfe zu holen und nicht einfach lethargisch weiterzuleben.“