Herr Kremer, wie viele Einsätze hatte die Feuerwehr Hilden 2020?
Hilden „100-prozentige Abdeckung unmöglich“
Interview | Hilden · Rund 90 Prozent entfallen auf Rettungsdienst und Krankentransport. Die Corona-Pandemie ist eine Belastung.
Hans-Peter Kremer ist der Leiter der Hildener Feuerwehr. Er berichtet von seiner Arbeit.
Hans-Peter Kremer: Die Feuerwehr Hilden ist in Summe im Jahr 2020 zu 10 139 Einsätzen ausgerückt. Dieses bedeutet das im Schnitt knapp 28 Einsätze je Tag anfallen. Mit Abstand der größte Anteil (ca. 90 Prozent) entfällt auf den Rettungsdienst und Krankentransport. Im Vorjahr waren die Einsatzzahlen sehr ähnlich. In Summe wurden im Jahr 2019 10 403 Einsätze, also 264 Einsätze mehr, durch die Feuerwehr Hilden abgeleistet. Natürlich kann man Einsätze nicht immer miteinander vergleichen. Der Schwelbrand eines Abfallbehälters an einer Laterne oder der Vollbrand einer große Gewerbehalle: Beides ist in der Statistik ein Brandeinsatz.
Sie müssen binnen acht Minuten mit zehn Einsatzkräften an jedem Einsatzort in Hilden sein. Schaffen Sie das immer?
Kremer: Das Schutzziel der Feuerwehr Hilden ist im Brandschutzbedarfsplan (BSBP) festgelegt. Das Schutzziel orientiert sich nach der Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) für den Brandschutz in Städten. Hiernach wird festgelegt, dass die Notrufentgegennahme 1,5 Minuten in Anspruch nehmen darf. Nach der anschließenden Alarmierung der Einsatzkräfte, müssen binnen der nächsten 8 Minuten 10 Funktionen (Einsatzkräfte) und nach weiteren 5 Minuten 6 weitere Funktionen an der Einsatzstelle eingetroffen sein. Diese beiden Schutzziele sollen gemäß BSBP in 95 Prozent von bestimmten Einsätzen (zum Beispiel kritischer Wohnungsbrand mit vermissten Personen) erfüllt werden. Eine 100-prozentige Abdeckung ist hier nicht möglich, da immer wieder unvorhersehbare Dinge, wie Glatteis, Paralleleinsatz oder Verkehrsprobleme passieren können. Eine Auswertung der Zielerreichung in den letzten Jahren hat ergeben, dass die 95 Prozent unterschritten werden. Hier war überwiegend das Schutzziel 2 (16 Funktionen binnen 13 Minuten) knapp überschritten. Diese knappe zeitliche Überschreitung versuchen wir mit einer angepassten Alarmierung entgegenzuwirken. Schlussendlich muss man allerdings festhalten, dass es sich hierbei um keine Besorgnis erregenden Ergebnisse handelt.
2019 fehlten ihnen Feuerwehrleute. Wie ist die Personalsituation aktuell?
Kremer: Der Arbeitsmarkt für Feuerwehrleute ist deutlich unterbesetzt. Dieses führt bei allen Feuerwehren zu einer erhöhten Fluktuation. Mitarbeitende wollen zum Beispiel zu einer wohnortnahen Feuerwache wechseln. Dieses hat viel Umbruch gerade in Feuerwehren in Ballungszentren gebracht. Sie müssen sich folgendes vorstellen: Ein Feuerwehrmann etwa in Bayern hat unter Umständen einen vergleichbaren Arbeitsplatz in 70 bis 100 Kilometer Entfernung, der Hildener Kollege hat im Umkreis von 20 Kilometern bereits zehn Feuerwachen zur Auswahl. Nichtsdestotrotz sind wir froh, dass wir von unseren insgesamt 85 Planstellen derzeit fast keine freien Stellen mehr haben. Wir haben gerade drei fertige Brandmeister in der Einstellung und die Auszubildenden, welche in diesem und nächsten Jahr fertig werden, füllen nach derzeitigem Stand die restlichen Stellen auf. Hier bin ich sehr froh, dass die Feuerwehr Hilden schon lange Zeit über Bedarf ausbilden kann und darf. Denn durch die nicht planbare Fluktuation entstehen immer mal wieder freie Stellen.
Wie viele Mitglieder hat die Freiwillige Feuerwehr?
Kremer: Die Mitgliederzahl der Freiwilligen Feuerwehr ist über viele Jahre recht stabil bei um die 100 aktiven Einsatzkräfte. Mal sind es zwei weniger, mal drei mehr. Derzeit hat die Feuerwehr Hilden 106 Mitglieder im aktiven Dienst. Hinzu kommen 22 Mitglieder der Jugendfeuerwehr sowie 33 Mitglieder in der Ehrenabteilung. Aus dieser Sicht kann man sagen, dass wir hiermit zufrieden sein können. Die Verfügbarkeit der einzelnen Mitglieder ist aufgrund der allgemeinen Arbeitsdichte vor allem tagsüber schwieriger geworden. Wir versuchen diesem mit einer Anpassung der Alarm- und Ausrücke-Ordnung (AAO) zu kompensieren. In dieser ist geregelt welche Teileinheiten wann bei welchem Ereignis alarmiert werden. Diese AAO wird derzeit in einer Arbeitsgruppe entwickelt und soll im Laufe des Jahres 2021 fertig gestellt werden.
Wie ist die Feuerwehr mit der Corona-Pandemie klar gekommen?
Kremer: Die Pandemie hat uns eine Menge abgefordert. Jeder einzelne von uns wurde hier besonders gefordert. Auflagen im Bereich Schutz wurden und werden bei der Feuerwehr besonders hoch angesetzt. So konnten die praktischen Übungsdienste der Ehrenamtlichen Kräfte neun Monate, die der Jugendfeuerwehr elf Monate nicht stattfinden. Wie viele andere haben wir dann auf Videokonferenzen und Online-Präsentationen gesetzt. Wir sind froh, dass die Kameradschaft darunter nicht zu sehr gelitten hat und dass nun der Übungsdienst überall, wenn auch unter scharfen Bedingungen und nur in kleinen Gruppen, stattfinden kann. Wir können uns keinen Ausfall von ganzen Einheiten leisten. Aus diesem Grunde übt jede der sechs Löschgruppen einzeln und das noch mit zeitlichen Abstand zueinander. Ja, auch an den Mitarbeitern und Mitgliedern der Feuerwehr Hilden sind Corona-Erkrankungen nicht vorbeigegangen. Zum Glück sind alle Kameradinnen und Kameraden wohlauf.
Die Feuerwache wird erweitert, hat der Stadtrat beschlossen. Ist dort auch Platz für die Jugendfeuerwehr?
Kremer: Das kann man nur mit einem deutlichen und klaren JA beantworten. Das Gerücht, dass die Jugendfeuerwehr ausgegliedert werden soll, hält sich nun seit ein paar Monaten hartnäckig und keiner weiß, wo es herkommt. Aufgrund der Pandemie gab es im Jahr 2020 eine Vorgabe, dass der Jugendfeuerwehrdienst nicht in den Gebäuden der aktiven Wehr, also ehrenamtliche und hauptamtliche Kräfte, durchgeführt werden darf. Hierauf wurde sofort ein städtischer Raum gesucht, damit die Jugendfeuerwehr weitermachen kann. Dieser Raum wurde dann unterm Dach des Kolpinghauses gefunden. Als die Jugendfeuerwehr eine Woche später den Raum beziehen wollte, musste der Übungsdienst der Jugendfeuerwehr gänzlich eingestellt werden. Jetzt sind Präsenzdienste wieder möglich – auch wieder auf der Feuerwache – und wir sind alle froh darüber. Nichtsdestotrotz werden wir nach Möglichkeit den Raum im Kolpinghaus bis nach dem Umbau der Feuerwache weiterhin anmieten um einen Ausweichschulungsraum zu haben.
Das Jubiläum 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Hilden 2020 ist ja leider Corona zum Opfer gefallen. Wird noch nachgefeiert?
Kremer: Wir hatten sehr konkrete Vorstellungen dem Hildener Bürger dieses so tolle Jubiläum der Feuerwehr Hilden näher zu bringen. Leider können wir all diese Ideen auch in diesem Jahr nicht umsetzen. Aus diesem Grunde haben wir schweren Herzens entschieden, unser Jubiläum nicht zu feiern. Eine Feierlichkeit zum 152. Bestehen kommt uns dann auch sehr befremdlich vor.
Manchmal sieht man Sie als Leiter der Feuerwehr (oder ihre Stellvertreter) mit dem Kommando-Wagen offenbar private Einkäufe erledigen. Das irritiert manche Bürger. Die Erklärung?
Kremer: Das ist ganz einfach erklärt: Die Feuerwehr Hilden verfügt über einen Führungsdienst, welcher ehrenamtlich und für mehrere Tage von zuhause durchgeführt wird. Zur Durchführung dieser Aufgabe ist das frühe Eintreffen an der Einsatzstelle essenziell wichtig, daher wird hier ein Dienstfahrzeug mitgeführt. Nun leben auch Feuerwehrleute nicht ausschließlich von Luft und Liebe und müssen auch mal einkaufen. Sie können mir glauben, dass wir alle lieber mit einem unauffälligeren Fahrzeug auf dem Parkplatz stehen würden. Aber das gibt es ja bekannter Weise nicht bei der Feuerwehr.