Politische Bildung in Haan Junge Menschen für die EU begeistern
Haan · Die Schauspielerin, Musikerin und Autorin Nini Tsiklauri war am Dienstag zu Gast in der städtischen Gesamtschule, um mit den jungen Menschen ins Gespräch über Europa zu kommen.
Nini Tsiklauri hat eine bewegte Kindheit hinter sich. „Ich bin 1992 in Tiflis geboren“, erzählte sie den Schülerinnen und Schülern in der vollbesetzten Aula der städtischen Gesamtschule Haan. Vor dem Bürgerkrieg flüchteten ihre Eltern nach Ungarn, wo die Familie sieben Jahre lebte. Doch dann kehrte sie nach Georgien zurück, „weil in Ungarn der Rassismus extrem stark war“.
Georgien, das kleine Land mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern, hat eine eigene Sprache, eine eigene Schrift und eine eigene Küche. Es kämpfte um seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion, Korruption war an der Tagesordnung, die Infrastruktur zusammengebrochen. „Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom“, erzählte Nini Tsiklauri. „Als ich zur Schule ging, gab es keine Fenster. Einmal mussten wir Schüler Brennholz mitbringen.“
Ninis Eltern studierten in Tiflis und bekamen die Möglichkeit, in Stuttgart weiter zu studieren. So kam die Familie nach Deutschland. „Ich war gerade mal elf und konnte kein Wort Deutsch.“ Doch Nini hatte eine gute Lehrerin und schließlich landete sie nicht nur beim Theater, sondern auch beim Film. Sie spielte unter anderem in der Reihe „Die wilden Kerle“ mit.
Dann kam 2008. Nini war 15 und erhielt die Möglichkeit, Kanzlerin Merkel zu treffen. Sie bat sie, sich für Georgien einzusetzen. Die Menschen dort waren auf die Straße gegangen und hatten es tatsächlich erwirkt, eine proeuropäische Regierung zu wählen. „Wir müssen immer Angst haben, dass Russland wieder einmarschiert und die Freiheit wieder weg ist.“ Das erklärte sie der Kanzlerin. „Aber das Thema wurde vertagt“, erzählt sie.
Im August 2008 reiste die Familie erstmals wieder nach Georgien, um die Verwandten zu besuchen. Nini hatte ihre Oma sechs Jahre nicht gesehen. Sie waren gerade dort, als der Krieg ausbrach. Sie hörten das Artilleriefeuer in Tiflis. „Die Russen stehen zwanzig Kilometer vor der Hauptstadt. Seit ein paar Tagen fliegen Bomben.“ Angst, Schrecken und Fassungslosigkeit herrschten.
„Es hätte alles anders kommen können. Mit ein bisschen Mut von ein paar Politikern“, meinte Nini Tsiklauri bitter.
Der Familie wurde klar, dass sie von dort wegmuss. „Weg bedeutete jedoch nicht, wir fahren heim, sondern es bedeutete Flucht.“ Quer durchs Kriegsgebiet mussten sie mit dem Auto fahren. Nini versuchte, alles zu filmen. „Das hat viel mit mir gemacht“, verriet sie den Jugendlichen. Sie hörte auf mit der Schauspielerei und mit der Musik und ging zum Studium nach Wien, wo sie noch heute lebt. Sie reiste viel, versuchte, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Über die Europäische Union, über Demokratie und Freiheit. Nach all ihren Erlebnissen fragte sie sich: „Wir kann man Europa so wahrnehmen, dass es selbstverständlich ist?“ In Georgien würden die Menschen dafür sterben, in die EU zu kommen.
VHS und die Europa-Union Haan organisierten die Veranstaltung
Nini Tsiklauri wurde Teil einer Bewegung, die Demonstrationen in 180 europäischen Städten initiierte. Als Corona kam, setzte sich die junge Frau hin und schrieb ihr Buch „Lasst uns für Europa kämpfen“. Seitdem ist sie damit unterwegs, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. So auch mit den Jugendlichen in der Gesamtschule. Zustande kam diese Veranstaltung durch die VHS und die Europa-Union Haan. „Wir wollen das Bewusstsein wecken“, erklärte Wolfgang Jegodowski, Vorsitzender der Europa-Union Haan, und Schulleiter Christian Hoffmann sagte: „Wir wollen unsere Schüler zu mündigen Bürgern erziehen.“ Eingeladen waren deshalb alle Schüler, die bei der kommenden Europa-Wahl im Juni 16 Jahre alt sein werden und wählen dürfen.
Natürlich beantwortete Nini Tsiklauri auch die Fragen des Publikums. „Wie soll ich als ein politisch semi-interessierter Jugendlicher wissen, was ich wählen soll?“, war eine Frage.
„Die harte Wahrheit ist, wir müssen uns das selbst erarbeiten“, antwortete die Autorin. Sie empfahl, die Parteiprogramme zu lesen. „Geht nicht nach Sympathie“, mahnte sie. „Seht euch genau an, wofür die stehen.“ Die Frage nach ihrem größten Erfolg beantwortete sie: „Wenn ich einen überzeugt habe, über Europa nachzudenken oder zu reden, habe ich das als großen Erfolg verbucht.“