Hilden Was bleibt nach Corona?

Hilden · Pfarrerin Nicole Hagemann von der evangelischen Gemeinde Hilden bezeichnet Corona gleichzeitig als Herausforderung und Chance.

Nicole Hagemann ist Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Hilden.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

. Sieben Wochen ohne Pessimismus, sieben Wochen Zuversicht: Das ist das Fastenmotto der Evangelischen Kirche in diesem Jahr. Das ist ein Geschenk und eine Herausforderung zugleich in Corona-Zeiten wie diesen, findet Pfarrerin Nicole Hagemann. Ausgebildete Ehrenamtliche rufen jetzt vermehrt Menschen an. „Bei den Telefonaten stellen wir fest, dass Corona nicht das erste Thema ist, aber bei vielen Menschen an zweiter oder dritter Stelle kommen. Ihnen fehlt der übliche Kontakt zu den bekannten Gesichtern. Wir kommen dem nach, indem wir vermehrt telefonieren.“

Die Internetseite der Gemeinde werde täglich neu bestückt: „Wir sammeln theologische Themen und Ideen und erledigen die Verwaltung auf dem kurzen Dienstweg. Ich bin gespannt, was zur Normalität geworden ist, wenn Corona uns nicht mehr in Atem hält.“

Es gebe viele Möglichkeiten, auf diese Situation zu reagieren, stellt die Pfarrerin fest: „Die einen sind genervt, weil vieles so umständlich wird. Zwei Einkaufswagen, obwohl man in einem Haushalt wohnt, damit die zulässige Personenzahl nicht überschritten wird. Eltern, die zwischen Homeoffice und den digitalen Herausforderungen von Schule zu Hause umswitschen müssen.“ Sie spreche aber auch mit Menschen, die echte Existenzängst plagen: Was wird, wenn die Kontaktsperre auch nach dem 19. April weiter besteht?

Menschen der Risikogruppe
seien laut Hagemann gelassener

Viele der Älteren, also der Risikogruppe, seien gelassener als man denkt, beobachtet Nicole Hagemann: „Sie sagen: Wir haben den Krieg erlebt. Wir kennen die Situation, wenn es nicht alles gibt und man anstehen muss.“ Viele Senioren würden selber einkaufen gehen, blieben aber zu Hause – aus Rücksicht auf ihre Kinder: „Die machen sich sonst Sorgen“.

Dieser Tage hätte Nicole Hagemenn ihre erste Trauung in diesem Jahr gehabt. Sie musste verschoben werden so wie auch die Konfirmationen. Alle diese Familien seien verständnisvoll, aber müssten jetzt viel umorganisieren. Traupaare fragten sich, ob sie überhaupt heiraten können oder nicht auch die standesamtliche Trauung besser verschieben. „Traurig ist, dass Familien gerade nicht in der gewünschten Form von ihren Verstorbenen Abschied nehmen können“, erzählt die Pfarrerin: „Die Bestatter und wir versuchen viel, aber es ist eben nicht alles möglich. Daher überlegen wir als Kirche gerade, wie wir damit umgehen. Welche Abschiedsangebote kann es nach Corona geben, um dem Verpassten eine angemessene Form zu geben.“

Als Pfarrerin gehöre sie nicht zu den sogenannten systemrelevanten Berufen: „Ich sitze zu Hause am Schreibtisch, während meine Kinder und meine Nichte ihre Hausaufgaben erledigen. Die Kinder fragen nach Corona und ob wir Angst haben. Nein, Angst haben wir keine. Aber in der Verwandtschaft haben wir schon Personen, die zur Risikogruppe gehören. Als Angehörige ist es nicht einfach zu hören: „Dann sterbe ich halt an Corona, ich bin doch eh schon fast 90.“ Geburtsage in der Familie können wir jetzt nicht feiern. Also bringen wir Kuchen vor die Tür und trinken per Videokonferenz Kaffee.“

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit sowie Zuversicht“: Das ist der Trauspruch von Nicole Hagemann. Daran muss sie in diesen Tagen oft denken: „Ich versuche die besonderen Dinge dieser Zeit zu sehen: den klaren blauen Himmel. Die intensiven Telefonate mit Freunden und Gemeindegliedern. Auch, dass wir jetzt dreimal am Tag zusammen essen und uns unterhalten. Dass die Menschen aufeinander achtgeben. Dass so unterschiedliche Menschen überlegen, was sie für Wildfremde tun können - vom Mundschutznähen über Grüße schicken und basteln und die vielen tollen Dinge, die auch in der Zeitung stehen. Wir rücken zusammen, auch wenn man im Supermarkt eine leichte Anspannung spült. Ich bin dankbar für die vielen Menschen, die jetzt Telefondienst machen. Und bin im Gebet bei den vielen, die gerade die medizinische Herausforderung meistern. Auch unter meinen Bekannten und Freunden sind Menschen, die in den Krankenhäusern arbeiten.“