Line Dance fordert Konzentration

Das Tanzen in einer Formation macht viel Spaß, doch Gefühl für Musik und Bewegung sind nicht unwichtig. Immerhin: Es erklingt nicht ein einziger Ton Country-Musik.

Foto: Matzerath

Hilden. Das Muster der khaki-farbenen Turnschuhe von Heike kenne ich jetzt in- und auswendig. Kein Wunder, starre ich doch schon fast eine Stunde darauf. Hebt Heike ihre Füße, hebe ich sie auch. Macht sie eine Drehung, drehe ich mich auch. Bis das alles reibungslos klappt, vergeht Zeit. Zeit, in der ich auch schon mal über meine eigenen Füße stolpere. Sechs Frauen und ein Mann lachen dann. Ich aber auch. Denn Line Dance, das stelle ich schon nach wenigen Minuten fest, macht richtig viel Spaß.

Frank ist der Erste, der um 10 Uhr morgens vor der Turnhalle an der Furtwänglerstraße in Hilden eintrudelt. „Anfangs waren wir vier Männer“, erzählt der Versicherungskaufmann (56). Drei sind abgesprungen. Er ist als einziger übrig geblieben. Warum er Line Dance tanzt? „Man kann sich auspowern“, sagt er. Und Line Dance sei lockerer als Square Dance. Es gebe keine Kleidungspflicht. Das gefällt mir. Denn ich habe weder ein kariertes Flanellhemd noch einen Petticoat im Schrank. Und auch die Musik sei gut, sagt Frank. Eben nicht immer nur Country-Musik. Das sagt auch Tanzlehrerin Ute Sinde, fast ein wenig rechtfertigend. Country-Musik scheint für viele Interessierte doch eher abschreckend zu sein. Also legt Ute Sinde Italo-Pop auf. Auch gut. Der Rhythmus ist flott, und flott geht es zur Sache.

Die Schritte sind schnell erklärt. Einmal in die Diagonale nach rechts, einmal nach links, einmal in die Mitte, und dann die Füße über Kreuz. Sieht gar nicht so schwer aus, denke ich, habe ich doch in den vergangenen Jahren mehrere Standard-Tanzkurse absolviert. Doch Line Dance ist was anderes.

Das merke ich schnell. Niemand führt. Anfassen ist nicht. Stattdessen wird Line Dance in Reihen und Linien getanzt. Die Tanzform kommt aus den USA und entwickelte sich dort während des 20. Jahrhunderts. Die Schritte des Line Dance werden in Europa, Asien und Amerika einheitlich vermittelt. So können Tänzer unterschiedlicher Herkunft sofort gemeinsam loslegen, egal wo sie sind, erklärt Ute Sinde. Ein schöner Gedanke: ein Tanz, der Völker verbindet.

Doch zuerst müssen die Füße in Schwung kommen. Und das klappt nicht immer so gut. Wann kam noch gleich die Drehung nach links? Ute Sinde, Trainerin beim Tanzsportclub Düsseldorf, korrigiert professionell und motiviert geduldig. Und irgendwann hab ich’s drauf. Toll. Solch ein schnelles Erfolgserlebnis gab’s bei Cha-Cha-Cha und Tango nur selten.

Die Stimmung im Kurs ist gut. Wir lachen viel, keiner hält sich für was Besseres. „Warum auch?“, fragt Barbara. „Hier muss man sich nicht beeindrucken lassen. Hauptsache, man kann sich bewegen.“ Bärbel stimmt zu. „Ich habe schon mal einen Apfelkuchen verbrennen lassen, weil ich zu Hause getanzt hab’“, erzählt sie. Und wir alle können das verstehen. Gute Musik, gepaart mit Lebensfreude — schöne Augenblicke muss man feiern, wenn sie da sind.

Line Dance fordert Konzentration und Fitness. Zwei Tänze lernen wir in einer Stunde. Am Ende rinnt mir der Schweiß von der Stirn. Wir verschnaufen ein wenig. „Und das sind noch die leichtesten Übungen“, raunt Frank mir zu. Er hat seine Übungen erstaunlich leichtfüßig absolviert. Ich hab’s aus den Augenwinkeln gesehen, wenn ich mit meinen Blicken mal nicht an Heikes Schuhen hing. Dankeschön, ich habe verstanden. Nichts ist so leicht, wie es aussieht. Auch Line Dancer müssen üben.