Krankenhaus-Proteste Mehr als 100 Demonstranten schlugen in Haan Krach
Haan · Der Chefarzt der Fachabteilung „Allgemeine Innere Medizin“ stand neben dem OP-Pfleger, die kaufmännische Leiterin neben der Stationsschwester: Aus allen Bereichen des Klinikbetriebes waren sie gekommen, um für den Erhalt des Haaner St.-Josef-Krankenhauses zu demonstrieren.
Mehr als 100 Teilnehmer versammelten sich am Mittwoch um 13.30 Uhr auf der Wiese vor dem Haupteingang des Haaner Krankenhauses. Erst absolvierten sie eine Schweigeminute – um danach umso stärker Krach zu schlagen.
95 Minuten zuvor – zur symbolischen Zeit „Fünf vor Zwölf“ – hatten bereits rund 10 000 Demonstranten vor dem Düsseldorfer Landtag an der zentralen Protestaktion der NRW-Krankenhäuser teilgenommen. Auch unter ihnen befanden sich Beschäftigte der Kplus-Gruppe mit ihren Klinikstandorten in Haan, Hilden, Leverkusen und Solingen. Dennoch war den Beschäftigen in der Gartenstadt „ihr“ Krankenhaus St. Josef zusätzlich noch eine eigene Aktion wert. Denn das Haus ist in der Tat akut von der Schließung bedroht.
„Lasst uns ordentlich Dampf machen“, rief Pflegedirektorin Christine Rosemann den Demonstranten zu. Viele von ihnen trugen Schilder mit der Aufschrift „Die beste Medizin – saubere Finanzierung“. Konkret bedeutet das: Von der Bundesregierung wird die „ausreichende und dauerhafte Finanzierung“ der hohen Inflationskosten und der für das Jahr 2024 beschlossenen Tariferhöhung von rund zehn Prozent erwartet. Bisher weigere sich der Bund allerdings, seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und den Kliniken eine den steigenden Betriebskosten angemessene Vergütung zu ermöglichen. „Als Folge davon werden immer mehr Krankenhäuser in finanzielle Schieflage geraten“, war am Rande der Demo immer wieder zu hören.
Haan ist sogar besonders betroffen, denn das Krankenhaus hatte bis zur Pandemie schwarze Zahlen geschrieben und mit spezialisierten Abteilungen und einem neuen OP-Bereich diverse Pluspunkte aufzuweisen. Den Krankenkassen lägen die drei Standorte Hilden, Haan und Solingen jedoch zu eng beieinander, wurde auf der Demo noch einmal von den Teilnehmern kolportiert. Dieser Strategie drohe Haan zum Opfer zu fallen.
In Haan leben etwa 10 000 Menschen im Alter 65plus
„Das darf einfach nicht sein“, forderten Karlo Sattler und Rolf Brockmeyer vom Haaner Seniorenbeirat, die ebenfalls an der Demo teilnahmen, so wie übrigens auch Vertreterinnen der Christlichen Hospiz- und Trauerbegleitung. Sattler warnte: „Wir haben in Haan etwa 10 000 Menschen im Alter 65plus. Hier leben die meisten Hochbetagten – wie soll eine vernünftige medizinische Versorgung oder auch gerade die Nachbetreuung funktionieren, wenn die Leute demnächst dafür nach Hilden, Mettmann oder Solingen müssen?“
Mehr als 40 Insolvenzanträge wurden in diesem Jahr bereits von Krankenhausträgern gestellt. Auch die Kplus-Gruppe musste mit dreien ihrer vier Klinikstandorte im Juni 2023 bei Gericht Antrag auf eine „Insolvenz in Eigenverantwortung“ stellen, da die Zahlungsunfähigkeit innerhalb der nächsten zwölf Monate droht.
Fieberhafte Suche
nach einem neuen Konzept
Kai Siekkötter, Sprecher der Geschäftsführung, hatte erst unlängst im Ratssaal der Stadt Haan vor Politikern und Verwaltungsfachleuten erklärt: „Glauben Sie mir – mein Team und ich, wir arbeiten wirklich rund um die Uhr an einem neuen Konzept und versuchen alles, um das Haaner Krankenhaus zu retten. Aber nach jetzigem Stand kann ich keine Bestandsgarantie für das Haus abgeben. Das ist auch eine Frage der Ehrlichkeit.“ Mit einem gescheiterten Strukturfonds-Antrag beim Land NRW, dem Abwandern der Neurologie-Abteilung der Lukas-Klinik zum städtischen Klinikum Solingen zum 1. Januar 2024 und dem damit verbundenen Scheitern der „Stroke Unit“-Pläne für den Standort Hilden bleibt Siekkötter nach eigenem Bekunden nur noch eine Möglichkeit: „Ich muss jetzt über Sanierung Fakten schaffen.“ Er dürfte nicht der letzte bleiben, der solche Entscheidungen treffen muss.
Am Rande der Haaner Demo gab es immer wieder Kopfschütteln über Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der bestreite die wirtschaftliche Notlage der Kliniken überhaupt nicht, weigere sich aber, gegenzusteuern, sagte ein Teilnehmer: „Das kann keiner mehr verstehen. Und das dürfen wir nicht durchgehen lassen“.