Psychologische Beratung hilft in der Krise

Die Firma EAP Assist unterstützt seit Anfang Februar die Mitarbeiter der Stadt Haan, wenn sie psychologische Hilfe benötigen.

Foto: Stephan Köhlen

Haan. Bernd Wittmann kann sich noch gut an diesen Fall erinnern. Er spielte sich irgendwo in NRW ab, einige Monate, bevor auch die Stadt Haan sein Kunde wurde. Dem Vorgesetzten eines Fahrers war aufgefallen, dass sein Mitarbeiter morgens häufig nach Alkohol roch. Er sprach ihn darauf an, doch der Mitarbeiter wich aus. Daraufhin stellte ihn der Chef vor die Wahl: Entweder, der Fahrer absolviert eine Therapie, oder er verliert seinen Arbeitsplatz. Der Fahrer entschied sich für eine Therapie — und wurde unterstützt von der Düsseldorfer EAP Assist. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um eine Mitarbeiterberatung — ein Dienstleister, den seit Anfang Februar auch die Stadt Haan unter Vertrag genommen hat.

Bernd Wittmann, EAP Assist

Bürgermeisterin Bettina Warnecke tat dies unter dem Eindruck der Ereignisse rund um den Überfall, den ein Mitarbeiter der Stadt Haan im Mai 2017 auf einen älteren Mann verübt haben soll: „Sollten Mitarbeiter psychologische Hilfe benötigen, habe ich einen Vertrag mit EAP Assist abgeschlossen. Zum Team zählen unter anderem Ärzte, Psychologen und Sozialtherapeuten. Hier können sich die Mitarbeiter sowie deren Familienangehörige psychologisch beraten lassen“, erläutert Warnecke.

In den ersten beiden Wochen, so berichtet Wittmann, Geschäftsführer von EAP Assist, haben sich bereits fünf Mitarbeiter der Stadt Haan für eine Beratung angemeldet. Ihre Probleme tun nichts zur Sache. Doch der 66-Jährige weiß aus Erfahrung: „So schrecklich ist die Arbeit nicht. Viel belastender sind die familiären Probleme.“ Denn nur zehn Prozent aller Konflikte am Arbeitsplatz resultieren einer AOK-Studie zufolge aus der Arbeit selbst. Mit 50 Prozent nehmen den viel größeren Anteil die familiären Probleme ein — ein Wert, der sich auch mit den Beobachtungen des studierten Psychologen deckt. Trennung, Scheidung, schwere Erkrankungen oder Todesfälle wirken sich eben auch am Arbeitsplatz aus. „Die Menschen haben dann nicht mehr den Kopf frei für ihre Arbeit.“

Für Betroffene ist es einfach, Kontakt mit den Beratern aufzunehmen: In einer Gehaltsabrechnung wurde ein Faltblatt der Firma EAP Assist mit allen Kontaktdaten versandt. Die Beratung ist kostenlos; alle Mitarbeiter von EAP Assist unterliegen der Schweigepflicht. Die Unterstützung ist vielfältig. Regelmäßige Einzelgespräche sind genauso möglich wie Workshops, in denen Teamkonflikte aufgearbeitet werden.

„Wir helfen Menschen, die Risiken haben für ihre psychische Gesundheit. Wir wollen, dass sie gar nicht erst krank werden“, sagt Wittmann. Genau dort aber liegen auch die Grenzen: Sind Ratsuchende psychisch krank, also beispielsweise mit schweren Psychosen belastet oder sie tragen sich mit Selbstmordgedanken, so verweisen die Berater an ausgewiesene Ärzte. Das ist in zwei Prozent aller Fälle so. „Aber auch bei der Suche nach geeigneten Therapien helfen wir natürlich“, versichert er. Und was hat der Arbeitgeber davon? „Arbeitgeber sehen, dass es nicht mehr reicht, sich alleine aufs öffentliche Gesundheitssystem zu verlassen.“ Lange Wartezeiten bei frei praktizierenden Psychologen bilden eine Hemmschwelle für alle Ratsuchenden. „Bei uns bekommt man sehr schnell einen Termin“, hält Wittmann entgegen. Und er ist überzeugt: „Psychische Erkrankungen erzeugen lange Fehlzeiten von sechs bis zwölf Monaten. Am teuersten ist es für einen Arbeitgeber, wenn man gar nichts tut.“

Vom Fall des städtischen Mitarbeiters, der einen 83-jährigen Haaner überfallen haben soll, hat Wittmann gehört. Auch hier sieht er Grenzen: „Wer eine solche kriminelle Energie hat, hat auch die Energie, sie zu vertuschen und zu verschleiern.“ Dem Arbeitgeber sind dann die Hände gebunden. „Er darf ja seine Leute nicht ausspionieren oder sie ständig kontrollieren.“ Und was ist mit dem alkoholkranken Fahrer geschehen? Der hat seine Sucht überwunden — „und seine Familie hat sich dafür beim Personalleiter mit einem Blumenstrauß bedankt“, erzählt Wittmann.