Haan Verurteilte Räuber sagen als Zeugen aus

Haan/Wuppertal. · Der Prozess gegen einen Mittäter beim Überfall auf Rentner am Haaner Hermann-Löns-Weg von Ende Mai 2018 wird fortgesetzt.

Ein Polizist vor dem Haus am Hermann-Löns-Weg in Haan.

Foto: Alexandra Rüttgen

Er sei bei der Tat nicht dabei gewesen. Wer etwas anderes behaupte, der lüge. Die elf Jahre Haft, die man ihm für den Überfall auf einen 85-Jährigen aufgebrummt hat? Zu Unrecht, er will ein Wiederaufnahmeverfahren auf den Weg bringen. Er sitze seine Zeit ab und sei gewillt, das Beste daraus zu machen. Und überhaupt, er sei hier nur als Zeuge geladen und fühle sich stattdessen an den Pranger gestellt. Beinahe so, als würde er selbst auf der Anklagebank sitzen. Noch war das nur ein ungutes Gefühl des Zeugen, der allerdings von der Staatsanwältin schon mal zu hören bekam: „Das mit der Anklagebank kommt noch.“ Der Richter ließ die Aussagen des 37-Jährigen protokollieren, ihm droht eine Anklage wegen Falschaussage. Die Aussicht auf eine Verlängerung seines Aufenthaltes hinter Gittern stünden dann jedenfalls gut. Als Prozessbeobachter fragt man sich, was wohl in jemanden gefahren ist, der von vier Mittätern der Tat bezichtigt wurde und dennoch behauptet, er habe mit all dem nichts zu tun.

Lügen, dass sich die Balken biegen: Das scheint bei den bislang gehörten Zeugen in diesem Prozess an der Tagesordnung zu sein. Allesamt bereits verurteilt wegen ihrer Tatbeteiligung am brutalen Überfall auf einen Pensionär, der geknebelt, gefesselt und über Stunden hinweg drangsaliert wurde. In der Unterhose auf die Terrasse seines hinter ihm brennenden Hauses gesetzt, hatte der 85-Jährige die Tat nur knapp überlebt. Man hat ihm mit dem Verbrannten seine Vergangenheit geraubt und auch das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das eine solche Heimstatt für jemanden hat.

Einige der ehemals Angeklagten hatten sich beim ersten Prozess bei ihm entschuldigt – und einen weiteren Mittäter benannt. Dem wird nun der Prozess gemacht.

Und hört man den gleichen Männern heute im Zeugenstand zu, so drängt sich der Eindruck auf, dass die reumütigen Worte allenfalls dem Ringen um ein milderes Urteil gedient haben könnten. Schon am letzten Verhandlungstag gehörte die „rosarote Brille“ zum wichtigsten Utensil zweier Zeugen, von denen einer mit im Haus gewesen sein soll und der andere nur „Schmiere gestanden“ haben will. Von Reue keine Spur - und eigentlich waren es immer die anderen.

Der am mittlerweile dritten Prozesstag gehörte Zeuge setzte dem ganzen jedoch die Krone auf: Die anderen würden ihn nur belasten, weil sie einen Sündenbock bräuchten. Dass man Manns genug sein solle, eine Tat zu gestehen, wenn man Manns genug war, sie zu begehen?

Vom akribisch nachhakenden Richter Norbert Müller ist dieser Satz vor dem Beginn nahezu jeder Verhandlung zu hören – üblicherweise an den Angeklagten gerichtet. Einen Augenblick lang herrschte Stille im Saal und fast schien es so, als würde der als Zeuge gehörte Mittäter nachdenken. Und dann prallte das eben Gehörte dennoch an einer Mauer des Schweigens und des Schuld-von-sich-Weisens ab.