Haan Stadt Haan will Flüchtlingsbetreuung selbst leisten
Haan. · Um Ausschreibungspannen zu vermeiden und Kontinuität zu gewähren, soll Stadtpersonal künftig das Betreuungsmanagement übernehmen. Die Politik ist meist angetan. Doch das Vorhaben ist gesellschaftlich umstritten.
Noch hat das Unternehmen European Homecare coronabedingt mit der Flüchtlings- und Obdachlosenbetreuung in Haan gar nicht richtig begonnen, da könnte das Engagement auch schon fast wieder beendet sein. Am 31. Dezember 2021 läuft der Vertrag wieder aus – und es verdichten sich die Anzeichen, dass es danach wohl nicht mehr weitergehen dürfte. Die Stadtverwaltung lässt momentan jedenfalls keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie auf Dauer diese Arbeit selber übernehmen kann. Die GAL hatte eine Anfrage in diese Richtung gestellt und sah sich im Sozialausschuss jetzt freudig überrascht von der umfangreichen Vorlage, die dazu erarbeitet wurde.
Im Rathaus sieht man einen ganzen Strauß an Vorteilen, wenn man die Betreuungsleistungen künftig nicht mehr ausschreiben müsste, sondern durch eigene Kräfte erbringen könnte: Demnach würde die Bezugsperson nicht so oft wechseln, mit den ehrenamtlichen Unterstützern sei „langfristige und verlässliche Netzwerkarbeit“ möglich, Fachwissen ginge ohne Anbieterwechsel nicht mehr verloren – das sind nur drei von acht Punkten, die die Stadt auf der Positiv-Seite aufgelistet hat. Zudem identifizierten sich eigene Kräfte besser mit der Aufgabenstellung und Zielerreichung. Und den Geldbeutel schonen würde das Modell vermutlich auch noch: Rund 55 000 Euro ließen sich der Vorlage zufolge dabei jährlich einsparen. Wichtigster Punkt jedoch: Ein Anbieterwechsel alle zwei Jahre, wie bei dem Ausschreibungsmodell theoretisch möglich, könnte auf diese Weise vermieden werden. Kein Wunder also, dass ein Großteil der Politiker – von CDU über SPD bis GAL – fast euphorisch auf das Papier reagierte.
Allerdings hat die Verwaltung auch diverse negative Effekte ausfindig gemacht: Das Risiko für die Stellenbesetzung und Personalausfälle liegt ausschließlich bei der Stadt. Angesichts des Fachkräftemangels in sozialen Berufen keine Kleinigkeit. Auf Veränderungen etwa bei der Anzahl der zu betreuenden Bewohner der städtischen Unterkünfte kann weniger spontan reagiert werden. (Bei regelmäßigen Ausschreibungen kann über die Leistungsbeschreibung eine ständige Anpassung erfolgen). Hinzu kommen notwendige Fortbildungen.
Vom Ausschuss fast gar nicht diskutiert wurde jedoch ein Aspekt, der gerade bei den Sozialverbänden momentan mit Besorgnis beobachtet wird: Mit dem Eigen-Engagement würde Haan vom Subsidiaritätsprinzip abrücken – und das ist keine Kleinigkeit. Das Prinzip besagt: Wo freie Träger die sozialen Aufgaben des Staates übernehmen können, sollen sie es nach Möglichkeit auch tun. Die katholische Caritas, die evangelische Diakonie, das Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt wurden dadurch zu großen Sozialunternehmen. Das führt zu Vielfalt ohne ruinöse Konkurrenz. Außerdem mobilisieren die Verbände bundesweit Hunderttausende Ehrenamtler.
In diese Kerbe haute die WLH: Die Wohlfahrtsverbände wie etwa die Caritas seien ein wichtiger sozialer Baustein, „der hier in Haan über ein Jahrzehnt sehr gute Arbeit geleistet hat und dafür nicht nur Lippenbekenntnisse verdient, sondern dem auch die Möglichkeit des wirtschaftlichen Überlebens ermöglicht werden sollte“, betonte Meike Lukat. Richtigerweise sei die Caritas auch immer noch die vom Kreis beauftragte Fachberatungsstelle im Bereich Wohnungslosenhilfe für Haan.
Abgestimmt werden konnte über die städtische Vorlage übrigens nicht: Die SPD hatte einen Ratsvertreter zu wenig in den Ausschuss geschickt, Vorsitzender Bernd Stracke (SPD) musste daher feststellen, „dass wir heute hier nicht beschlussfähig sind“. Der nächste Sozialausschuss ist im Oktober.