Verträge gelten über den Tod hinaus

Einige Firmen versuchen auf dem Rücken der Toten Geld zu verdienen, glaubt Marc Großjung.

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Hilden. Die Kfz-Werkstatt Großjung in Hilden ist auf Oldtimer spezialisiert, Mercedes-Modelle der Baureihe 107. Ein Familien-Unternehmen von Vater Heinrich und Sohn Marc Großjung. Im Dezember 2015 starb der Gründer, sein Sohn übernahm den Betrieb mit vier Mitarbeitern. Und dabei hat er einiges erlebt, die ihn traurig und zornig macht. „Es gibt Leute, die wollen mit dem Tod anderer Geld verdienen“, glaubt der 46-jährige Kfz-Meister und ist sich sicher, kein Einzelfall zu sein.

Ein Jahr (!) nach dem Tod seines Vaters präsentierte ihm ein Inkassobüro eine Rechnung von einem TV-Anbieter über 1100 Euro. Sein Vater sei vor Jahren mal Kunde des Bezahlfernsehens gewesen, sagt Marc Großjung. Dieser Vertrag sei aber schon vor Jahren gekündigt worden. Die Forderung bezog sich auf diesen alten Vertrag — und einen zweiten Vertrag, den sein Vater angeblich im März 2016 abgeschlossen hatte. „Drei Monate nach seinem Tod!“, betont sein Sohn. Das Inkassobüro dagegen bestand darauf: Er sei der Erbe und habe die Verträge mitgeerbt. „Erst als ich mit einem Anwalt und der Presse gedroht habe, haben die vor einigen Monaten ihre Forderung zurückgezogen“, berichtet Marc Großjung.

„Grundsätzlich ist es so, dass (Verbraucher-)Verträge nicht mit dem Tod enden, sondern auf die Erben übergehen“, erläutert Christine Steffen, Rechtsanwältin bei der Verbraucherzentrale NRW: „Diese sind dann auch dafür verantwortlich, etwaige Verträge zu kündigen, wenn sie diese nicht weiter nutzen möchten. Dabei müssen sie sich an die Vertragslaufzeiten halten, die der Erblasser mit seinem Vertragspartner vereinbart hat. Läuft der Vertrag weiter, müssen die Erben grundsätzlich auch für die Kosten einstehen, die bis zur ordnungsgemäßen Kündigung anfallen.“ Christine Steffen kann sich aber nicht erklären, wie ein neuer Vertrag nach dem Tod von Heinrich Großjung zustanden gekommen sein soll.

Marc Großjung hat noch ein zweites Problem. Die Firma Mobil Sport Öffentlichkeitswerbung GmbH schickte ihm kürzlich eine Rechnung über knapp 2300 Euro. Das Unternehmen stellt sozialen Unternehmen kostenfrei Fahrzeuge zur Verfügung, die über Werbung und Sponsoren finanziert werden.

2011 hatte Heinrich Großjung einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben, weil das Rote Kreuz Hilden dafür einen Transporter bekam. „Dieser Vertrag verlängert sich um weitere fünf Jahre, wenn er nicht sechs Monate vor Ablauf gekündigt wird“, erfuhr Marc Großjung erst auf Nachfrage: „Das hätte im August 2016 geschehen müssen. Da war mein Vater schon verstorben. Und ich wusste nichts von dem Vertrag, habe ihn auch nicht im Nachlass gefunden.“

Eine kostenlose Kündigung des Vertrages sei nicht möglich, schreibt die Firma. Wenn Großjung auf einer außerfristgemäßen Kündigung bestehe, verlangt das Unternehmen 1652 Euro „Schadenersatz“. Eine „nochmalige automatische Verlängerung“ werde es in jedem Fall nicht geben, sichert Mobil Sport Öffentlichkeitswerbung zu.

Großjung ist Mitglied im Kfz-Verband NRW. Ob er den Vertrag erfüllen muss oder nicht, hänge davon ab, ob die Firma eine natürliche oder eine juristische Person sei, sagt Hauptgeschäftsführer Marcus Büttner: „Das muss genau geprüft werden.“ Hinzu kommt: Marc Großjung hat die Firma seines Vaters als Gewerbe abgemeldet und unter ähnlichem Namen neu angemeldet. Ob das auch eine Rolle spielt, müssen Juristen prüfen.

Das will Großjung auf jeden Fall: „Für mich wird hier versucht, auf dem Rücken von Toten Geld zu machen. Das ist das Schlimme, auch weil es Tausende betrifft.“