Cannabis: Awo will besser aufklären

Dieter Requardt von der Awo-Suchtberatung will kriminellen Großhändlern die Kunden entziehen.

Foto: Ralph Matzerath

Der zwanghafte Wunsch, zu konsumieren, Schweißausbrüche und Schlafstörungen: Wenn Cannabis-Konsumenten plötzlich nicht mehr an ihren Stoff kommen oder mit dem Kiffen aufhören wollen, reagieren sie ähnlich wie Süchtige auf Entzug. „Aus diesen persönlichen Beobachtungen heraus würde ich niemals behaupten, das Cannabis nicht süchtig machen kann“, sagt der Leiter der Awo-Suchtberatung Monheim/Langenfeld, Dieter Requadt. Die Mär vom nicht abhängig machenden Rauschmittel gehöre zu den vielen Fehlinformationen, die über Cannabis im Umlauf seien.

In der aktuellen Diskussion um eine Legalisierung von Cannabis fordert er mehr Aufklärung und auch Warnung. „Dennoch befürworte ich rechtliche Veränderungen, da die alleinige Abschreckung durch Strafe nicht vom Konsum illegaler Rauschmittel abhält und gegenwärtig die Endverbraucher in der Regel kriminalisiert werden. Die Großhändler werden meist nicht gefasst.“

Requardt plädiert für die kontrollierte Freigabe von Cannabis. Auch, weil diese Rauschmittel mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind: „Wenn selbst ultrakonservative US-amerikanische Bundesstaaten Cannabis legalisieren, müssen wir in Deutschland das nicht sofort nachmachen, aber es ist ein weiterer Hinweis, den wir ernst nehmen sollten“, sagt Requadt.

Die Polizeistatistik sieht so aus: Beinahe jeden Tag registrierte die Polizei im Kreis Mettmann einen Verkehrsverstoß, bei dem der Fahrer unter Drogen stand. 264 Einträge waren es im vergangenen Jahr, davon 48 in Langenfeld und Monheim. In der Wertung der Zahlen ist der Sprecher der Kreispolizei Mettmann, Ulrich Löhe, eindeutig: „Vor allem bei Cannabis handelt es sich nicht mehr um eine Einstiegsdroge. Konsumiert wird vielmehr in allen Altersgruppen, allen sozialen Schichten von Frauen und Männern.“

Die Polizei hat reagiert: Die Beamten wurden eingewiesen, wie sie Menschen, die unter dem Einfluss von Rauschmitteln stehen, erkennen. Zudem stehen deutlich verbesserte Drogen-Schnelltests zur Verfügung. Je intensiver die Beamten hinschauen, desto mehr Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz entdecken sie. Das ist die Krux.

Hier setzt Drogenberater Dieter Requadt an: „Bei Cannabis gibt es die Fraktion, die alles aufs Schlimmste verteufelt — und ihr gegenüber stehen die totalen Verharmloser.“ Zwar kifft laut Requadt nicht jeder, aber die Dunkelziffer sei enorm. Eine sechs- bis siebenstellige Anzahl an Menschen in Deutschland konsumiere gelegentlich bis regelmäßig Cannabis.

Mit ihnen vernünftig zu arbeiten, sei für Drogenberater schwierig. Zum einen, wegen der vielen verharmlosenden Legenden rund um die Rauschpflanze. Zum anderen aber, weil der Umgang von Polizei und Justiz mit dem Thema längst nicht mehr einheitlich sei. Requadt: „Was ist eine Menge zum persönlichen Konsum? Was bleibt straffrei? Wo fangen Gerichtsurteile an? Eine kontrollierte Legalisierung, mit einer Festlegung auf Vergabestellen und Höchstmengen unter Altersbeschränkung, könnte sehr viel mehr Klarheit bringen und die Behörden entlasten. Und würde vor allem die Konsumenten nicht mehr dazu zwingen, Dealer aufzusuchen, die im Zweifel noch andere, gefährlichere Rauschmittel zum Probieren anbieten.“

Und: Eine Legalisierung von Cannabis würde den kriminellen Händlern einen großen Teil der Stammkundschaft entziehen — und damit eine wichtige Geschäftsgrundlage.